)
Ins österreichische Budget flossen 2011 3,5 Milliarden Euro weniger als erwartet.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Betrügereien, Bankrotterklärungen, laxe Zahlungsmoral: All das sind Gründe, warum den EU-Staaten Milliarden Euro an Steuereinkünften entgehen. Wie groß die Lücke zwischen den tatsächlichen und den erwarteten Einnahmen bei der Mehrwertsteuer ist, zeigt die EU-Kommission nun anhand einer Studie auf. Demnach flossen im Jahr 2011 an die 193 Milliarden Euro weniger ins Budget der 26 Unionsmitglieder - Zypern nicht eingerechnet -, als möglich gewesen wäre. Das entsprach 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Österreich liegt mit 1,2 Prozent knapp unter diesem Durchschnitt und in der Mitte der Länderliste.
In absoluten Zahlen hatte Italien die größten Verluste: etwas mehr als 36 Milliarden Euro. Dahinter folgen Frankreich und Deutschland. Die Steuerlücken dort betragen rund 32 Milliarden und knapp 27 Milliarden Euro. In Österreich machte die Summe knapp 3,5 Milliarden Euro aus. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt entging allerdings das meiste Geld dem rumänischen Staat: fast acht Prozent der Wirtschaftsleistung.
Es waren aber andere Länder, in denen die Kluft zwischen den erwarteten und tatsächlichen Einnahmen seit 2008 am meisten wuchs. Die Wirtschaftskrise hat auch dabei Spanien, Griechenland, Lettland, Irland und Portugal am deutlichsten getroffen. Die Mehrwertsteuer-Lücke verkleinern konnten in diesem Zeitraum hingegen Schweden, Polen, Malta, Bulgarien und Tschechien.
Für Steuerkommissar Algirdas Semeta sind die Verluste der Staaten "inakzeptabel", zumal die öffentlichen Finanzen einen zusätzlichen Impuls brauchen könnten. Gleichzeitig sieht er die Anstrengungen seiner Behörde "in die richtige Richtung" gehen. Die Kommission hat Vorschläge zur verstärkten Bekämpfung von Steuerflucht und -betrug sowie Empfehlungen für Steuerreformen in einzelnen Ländern abgegeben.
Sie hat aber nur begrenzte Einflussmöglichkeiten. Ihre Steueragenden regeln die Staaten nämlich großteils selbst. Bei der Mehrwertsteuer beispielsweise gibt es zwar einen EU-weiten Mindestanteil in der Höhe von 15 Prozent, doch kann jedes Land einen Satz darüber festlegen.
Ruf nach Vereinfachung
Allerdings kann Brüssel an die Hauptstädte appellieren, die Steuersysteme zu vereinfachen und die Basis zu verbreitern. Denn eine bloße Erhöhung der Mehrwertsteuer etwa um drei Prozent bringe dem Staat nicht unbedingt drei Prozent mehr Einnahmen, heißt es aus Kommissionskreisen. Dabei sei nämlich zu berücksichtigen, dass die Konsumenten für teurere Waren wohl weniger ausgeben werden.
Um gegen Betrug vorzugehen, haben sich die Finanzminister wiederum vor Monaten auf einen Schnellreaktionsmechanismus geeinigt sowie auf die Möglichkeit, das Prinzip der umgekehrten Steuerschuld anzuwenden. Diese verschiebt sich dabei ans Ende der Lieferkette, auf den Leistungsempfänger. Die Vorsteuer-Erstattung, die betrugsanfälliger ist, entfällt so.