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EU erhöht Druck auf Deutschland

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

Die Europäische Kommission erhöht als "Hüterin der | EU-Verträge" den Druck auf die deutsche Regierung, | das Staatsdefizit 2004 unter die Grenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu drücken. Sollte das laut Prognosen nicht gelingen, könnten die Finanzminister Berlin verbindliche Auflagen für die Haushaltspolitik machen.


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Die Kommission hat in der EU das Initiativmonpol und könnte bereits Ende dieses Jahres den Finanzministern vorschlagen, Deutschland verbindliche Auflagen für seine Haushaltspolitik zu machen. "Wenn Deutschland die Defizitschwelle von 3,0 Prozent im kommenden Jahr überschreitet, werden wir dem Ecofin-Rat eine neue Empfehlung vorlegen. Wir sind dazu verpflichtet", sagte Währungskommissar Pedro Solbes zur "Financial Times Deutschland". Die Kommission könne den Vorschlag dieses Jahr machen, wenn ihre Prognose im November ein deutsches Defizit von deutlich mehr als drei Prozent vorhersage.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt verbietet ein Defizit von mehr als drei Prozent des BIP. Deutschland hatte diese Grenze 2002 nicht eingehalten und wird voraussichtlich auch heuer dagegen verstoßen. Die Kommission kann bei wiederholten Verstößen Geldbußen von bis zu 0,5 Prozent des BIP gegen Defizitsünder verhängen. Bei Deutschland wären dies bis zu zehn Mrd. Euro.

Gestern warnte auch die Bundesbank die Regierung, wegen des geplanten Vorziehens der Steuerreform 2004 erneut gegen den Pakt zu verstoßen. Ohne weitere Gegenfinanzierung würde "aus heutiger Sicht wohl" die Maastricht-Defizitgrenze von drei Prozent überschritten. Um die Steuern ohne Verletzung der EU-Vorgaben zu senken, müssten Bund und Länder verstärkt staatliche Leistungen und Steuerausnahmen überprüfen.

Da die Wirtschaft im Euro-Raum nicht in Schwung kommt, werden Rufe nach einer flexibleren Auslegung der Stabilitätskriterien immer lauter. Demnach könnte Berlin - ebenso wie dem Defizitsünder Paris - mehr Zeit für die Haushaltssanierung eingeräumt werden. Für eine grundlegende Veränderung, etwa ein vereinfachtes Aussetzen der Defizit-Regel für eine bestimmte Zeit, wäre ein einstimmiger Beschluss der EU-15 erforderlich. Das ist derzeit nicht realistisch. Neben der Kommission fordern vor allem kleine EU-Staaten, darunter auch Österreich, ein Durchgreifen Brüssels bei den Defizitsündern.

Die EU-Finanzminister werden beim nächsten Rat Mitte September darüber beraten, wie der Stabilitätspakt - und damit auch die Gemeinschaftswährung - mit dauerhaft überhöhter Neuverschuldung in Euro-Kernländern fertig werden. Zumal die zehn künftigen EU-Länder bereits auf die Stabilitätskriterien hinarbeiten und die EU offiziell kein Aufweichen der Gemeinschaftswährung duldet.