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Gerade die politische und wirtschaftliche Krise in Rußland verleihe den österreichischen Bemühungen für die rasche Erweiterung der europäischen Union um die Nachbarn in Zentraleuropa eine | besondere Dimension, betonte Bundespräsident Thomas Klestil Montag nach einem Gespräch mit seinem polnischen Amtskollegen Aleksander Kwasniewski.
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Klestil ist Montag vormittag an der Spitze einer umfangreichen Regierungs- und Wirtschaftsdelegation zu einem zweitägigen offiziellen Besuch in Polen eingetroffen. Neben den bilateralen
Themen, zu denen Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner, Innenminister Karl Schlögl, Sozialministerin Lore Hostasch, und Außen-Staatssekretärin Benita Ferrero Waldner ihre jeweiligen Amtskollegen zu
ausführlichen Erörterungen trafen, hob Klestil Österreichs besondere Verantwortung für eine möglichst gute Vorbereitung und zügige Durchführung des Erweiterungsprozesses hervor. "Polen und
Österreicher sind beide durch Höhen und Tiefen der europäischen Geschichte gegangen", sagte Klestil, "nunmehr stehen wir vor der großen gemeinsamen Aufgabe, die Einigung Europas in Frieden und
Freiheit zu vollenden". Als Bundespräsident sei es ihm daher ein zentrales Anliegen, durch direkte Kontakte mit den Beitrittsländern einen Beitrag dazu zu leisten. Für das Gelingen der
Erweiterung wäre es ganz wesentlich sein, daß sich auch die Bürger in den Mitgliedstaaten und in den Kandidatenländern der fundamentalen Tragweite der europäischen Einigung für die Zukunft ganz
Europas bewußt sind. In diesem Erweiterungsprozeß komme Polen als dem größten aller Beitrittskandidaten, aber auch als wichtigem Brückenland zum Baltikum und zu Osteuropa eine ganz entscheidende
Rolle zu. Man wisse, daß die Erweiterung auch mit Problemen verbunden sein werde. Diese Schwierigkeiten dürften aber nicht Vorwand dafür sein, um in den Erweiterungsbemühungen nachzulassen.
Österreich werde sich weiterhin nachdrücklich dafür einsetzen, daß noch während seiner EU-Präsidentschaft die ersten Verhandlungen über jene Kapitel des Acquis abgehalten werden, deren Screening
bereits abgeschlossen ist.
Polen hat bisher zu sieben Kapiteln die erforderlichen Berichte fertiggestellt.
Kwasniewski selbst würdigte die Bemühungen Österreichs und gab der Hoffnung Ausdruck, daß die österreichische EU-Ratspräsidentschaft ein Garant dafür sei, daß der Integrationsprozeß in
einer Zeit der zunehmenden globalen Risiken nicht gebremst werde.
Kwasniewski unterstrich die starke Europa- und Westorientierung Polens und wies auf den guten Zustand der polnischen Wirtschaft mit einer Wachstumsrate von heuer nahezu 7 Prozent. Der Einfluß der
Turbulenzen in Rußland sieht er als begrenzt an: "Wir beziehen Energie- und Rohstoffe, sie beziehen Nahrungsmittel und Konsumgüter, wir brauchen einander, auch wenn es auf der Basis von
Bartergeschäften weitergeht, es wird weitergehen." Im übrigen warnte er davor, Zentraleuropa und Rußland in einen Topf zu werfen, und ermutigte ausländische Investoren in Polen zu bleiben. Insgesamt
dürfe die Entwicklung in Rußland "nicht überdramatisiert werden, dieses Land hat großes Potential!"
Klestil traf am Nachmittag mit Außenminister Bronislaw Geremek zusammen. Für heute, Dienstag, sind Gespräche mit Ministerpräsident Jerzy Buzek, sowie ein Treffen mit Abgeordneten und allen
Parteiführern im Sejm, dem polnischen Parlament, angesetzt.