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Eu-Familie, Pleitegeier und ein schwarzes Schaf

Von Bettina Figl

Politik

Wie sieht die Zukunft der EU aus?
Schüler fragen Hahn, Spindelegger und Unternehmerin Kircher-Kohl.


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Türkei-Beitritt, Arbeitsmarktöffnung, Schengen-Grenzen – wie brisant die Themen auch sein mögen: Bei der Diskussion "Wohin steuert Europa?" am Freitag in Wien hängen die meisten der Jugendlichen – vorerst – mit fadem Aug’ da. Erst als sie selbst Fragen an die hochkarätige Diskussionsrunde – Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP), EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) und Unternehmerin Monika Kircher-Kohl – stellen dürfen, wachen sie auf.

Auf die Frage "Woran scheitert der EU-Beitritt der Türkei?" antwortet der Vizekanzler: Das größte Hindernis sei die Weigerung der Türkei, Waren aus Zypern zu importieren. Der Verhandlungsprozess schreite derzeit "eigentlich gar nicht" voran. Beim "Sonderfall Türkei" werde sich zeigen, ob die von Österreich angestrebte "maßgeschneiderte Partnerschaft" nicht der bessere Weg sei als jener eines Beitrittskandidaten.

Europäische Familie

EU-Kommissar Hahn zieht immer wieder das Bild der Familie heran, wenn er von der EU spricht: Auch die Balkan-Länder sollten in diese aufgenommen werden. Die Türkei erwähnt er vorerst nicht – ganz als wolle er das schwarze Schaf der Familie außen vor lassen.

Auf Nachfrage sagt Hahn, die bisherige Dauer der Beitrittsverhandlungen (seit 2005, Anm.) lasse nicht erwarten, dass es in den nächsten Jahren zu einem Abschluss kommt. Kircher-Kohl, Vorstandsvorsitzende von Infineon Austria, meint, aus wirtschaftlicher Sicht wäre es vorteilhaft, mit der Türkei zusammenzurücken – es sei aber eine "politische Entscheidung".

Auf eine Frage einer Schülerin, ob man Griechenland nicht bankrott gehen lassen könne, erklärt EU-Kommissar Hahn, es sei Aufgabe der EU, ihren Mitgliedern zu helfen. Das habe in Griechenland und Irland funktioniert und werde auch in Portugal funktionieren. Für ihn ist das Problem Griechenlands das vieler südeuropäischer Länder: Geringe Industrialisierungsrate, wenige Menschen machen sich selbständig, zu viele streben einen Beamtenjob an – ein Problem, das auch Kärnten habe, wirft Kircher-Kohl ein.

Fehlende Fachkräfte

Zur Arbeitsmarktöffnung für die neuen EU-Staaten ab dem 1. Mai sagt Spindelegger, er konnte bis dato nicht feststellen, dass Massen auf den österreichischen Arbeitsmarkt drängen würden. Er glaube nicht, dass sich das in den nächsten Wochen ändern werde.

Beim Halbleiterhersteller Infineon seien derzeit 100 Stellen unbesetzt, so Kircher-Kohl. Im Industrie-Bereich sind Fachkräfte Mangelware, die Ost-Öffnung entspanne die Situation "ein bisschen". Doch nicht alle Bereiche würden von der Öffnung profitieren: In der Landwirtschaft und am Bau müsse man genau hinschauen, damit es nicht zu Lohndumping komme. Sie appelliert vor allem an die weiblichen Jugendlichen, sich für ein Technikstudium zu entscheiden.

Kircher-Kohl bezeichnet die Rot-Weiß-Rot-Card als "absolut gut" und meint, Österreich müsse zeigen, dass es ein Einwandererland sein will. Spindelegger nennt die Rot-Weiß-Rot-Card "ein Zeichen für eine neue Art von Zuwanderungspolitik" und "notwendige Reaktion auf unsere demographische Entwicklung" – schließlich bräuchten wir junge Menschen, die unser Pensionssystem erhalten.

Zur derzeitigen Diskussion, ob die Schengen-Grenzen aufgrund des Flüchtlingsstroms aus Nordafrika wieder verschärft werden sollen, sagt Hahn: Wenn man nur zwei bis drei Tage wieder Grenzkontrollen einführen und die damit verbundenen Staus erleben würde, wäre diese Debatte wieder vom Tisch. Ein EU-Beitritt nordafrikanischer Länder ist für Hahn kein Thema, aber: "Eine Partnerschaft drängt sich auf".

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