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EU-Finanzminister gegen Euro-Schwäche machtlos?

Von Jobst Knigge, Brüssel

Europaarchiv

Angesichts der Rekordschwäche der europäischen Gemeinschaftswährung Euro warten viele auf ein Machtwort der Politiker. Doch die Finanzminister der Euro-Zone, die heute, Freitag, im französischen Versailles zusammenkommen, wirken eher rat- und machtlos.


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Zwar kann sich der französische Ratsvorsitzende Laurent Fabius hinstellen und Interventionen der Europäischen Zentralbank (EZB) verlangen. Doch dieses umstrittene Mittel wird nur von einigen seiner Kollegen unterstützt. Zudem können die Minister der von der Politik unabhängigen EZB nur Ratschläge geben und keine Vorschriften machen.

Auch wenn EZB und die elf nationalen Notenbanken zusammen über riesige Devisenreserven im Wert von mehreren hundert Milliarden Euro verfügen, so haben Käufe und Verkäufe auf dem Devisenmarkt nur selten nachhaltig den Kurs einer Währung beeinflussen können. Erhöhte Erfolgsaussichten hätte ein gemeinsames Eingreifen von EZB und US-Notenbank. Aber dies ist angesichts der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen wenig wahrscheinlich.

Der französische Europaminister Pierre Moscovici kündigte eine deutliche Botschaft aus Versailles an die Märkte an. "Ich glaube, dass alles von dem Augenblick an besser geht, wenn es eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Ministern und den Zentralbankern gibt", sagte er.

Frankreich hat immer noch nicht seinen Wunsch aufgegeben, den Rat der zwölf Euro-Finanzminister aufzuwerten und zu einem Gegengewicht zur EZB zu machen. Aber die meisten übrigen Mitglieder ziehen nicht mit, weil sie die Unabhängigkeit der EZB nicht antasten wollen.

Nach Ansicht der meisten Analysten bleibt der Hauptgrund für den Wertverlust des Euro seit seiner Ausgabe vor 20 Monaten in Höhe von 25 % gegenüber dem Dollar die anhaltende Stärke der US- Volkswirtschaft. Zusätzliche Sorge macht die Inflation. Längst ist der von der EZB gesetzte Grenzwert von 2,0 % Teuerung durchbrochen. In der Eurozone stiegen die Preise bis Juli in Jahresfrist um 2,4%, Tendenz steigend. Da die hohen Ölpreise Preistreiber Nummer eins sind, werden sich die Finanzminister auch mit diesem Thema befassen.

Besorgnis erregend ist auch die große Schere zwischen den Inflationsraten in der Eurozone. Sie liegen zwischen 2,0% in Deutschland und fast 6% in Irland. Dagegen hat die EZB nur eine allen gemeinsame Leitzinserhöhung zu setzen. EZB-Chef Wim Duisenberg forderte deshalb jetzt die Mitgliedstaaten noch einmal energisch auf, zusätzliche nationale Mittel im Kampf gegen die Inflation einzusetzen.

Minister und Zentralbank stehen unter Druck, eine Trendwende zu erreichen. Am 28. September stimmen die Dänen darüber ab, ob sie den Euro einführen wollen. Eine weitere freie Talfahrt der Gemeinschaftswährung ist nur Wasser auf die Mühlen der Euro-Gegner.