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EU fordert ihr Geld zurück

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Olaf-Jahresbericht 2011: Größter Anteil bei Strukturfonds.


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Brüssel. Schmuggel von Biodiesel und Zigaretten, ungerechtfertigtes Einstreichen von EU-Förderungen, gefälschte Lebensläufe bei Bewerbungen für Hilfsprojekte in Afrika: Unterschiedlicher Art sind die Fälle von Korruption und Betrug, mit denen sich Olaf befasst. Und hunderte davon hat das europäische Amt für Betrugsbekämpfung im Vorjahr untersucht. Die Folge: Rund 691 Millionen Euro an unrechtmäßig ausbezahlten EU-Mitteln wurden wieder eingezogen - mehr denn zuvor. Das geht aus dem nun präsentierten Jahresbericht des EU-Amtes für 2011 hervor.

691 Millionen Euro an ausbezahlten Geldern hat das EU-Betrugsbekämpfungsamt eingezogen.
© © © Image Source/Corbis

Immerhin gehe es um das Geld europäischer Steuerzahler, betonte Olaf-Generaldirektor Giovanni Kessler und verwies auch gleich auf die wirtschaftliche Situation der Union. "In der derzeitigen Finanzlage ist der Kampf gegen Betrug und Korruption wichtiger denn je", erklärte er.

Laut dem Bericht sind 2011 zwar weniger Fälle als im Jahr davor eröffnet, aber mehr abgeschlossen worden. Insgesamt hat es 463 Untersuchungen gegeben; die meisten davon (122) betrafen EU-Mitarbeiter, 89 den Landwirtschaftssektor, 67 die Außenhilfen, 64 die Strukturfonds zur Förderung von Infrastrukturprojekten etwa.

Gerade in diesem Bereich wurden aber die meisten Rückforderungen geltend gemacht. Sie beliefen sich auf knapp 525 Millionen Euro. Im Zollbereich machten sie fast 114 Millionen Euro aus. Beim Eintreiben der Zölle, die direkt ins gemeinsame EU-Budget fließen, verliert die Union nämlich ebenfalls regelmäßig mehrere hundert Millionen Euro. Aus dem Bereich der Landwirtschaft wiederum wurden Mittel in Höhe von 34 Millionen Euro wieder eingezogen. Die Geldstrafen, die die Gerichte in den jeweiligen Ländern verhängten, betrugen 155 Millionen Euro, und zusammengenommen wurden Betrüger zu 511 Jahren Haftstrafen verurteilt.

Verluste in Milliardenhöhe

Manches Mal sind es dabei die nationalen Behörden selbst, die Olaf um Unterstützung bitten. Die Staatsanwaltschaft in Bielefeld etwa ersuchte um Hilfe bei Ermittlungen in Deutschland, Litauen und Polen gegen eine Gruppe von Zigarettenschmugglern, die ihre Waren von Russland über Weißrussland und Litauen auf die Schwarzmärkte in Deutschland und Polen brachten. Olaf half bei der Kooperation der betroffenen EU-Staaten. An die 70 Millionen Zigaretten wurden beschlagnahmt; mehrere Dutzend Menschen wurden verhaftet.

Bekämpfung des Zigarettenschmuggels gehört zu den Schwerpunkten der Behörde. Denn nach EU-Schätzungen entgehen der Union durch den illegalen Handel Einnahmen in Höhe von zehn Milliarden Euro jährlich.

In anderen Fällen handelt es sich um weit geringere Summen: So erhielt Olaf einen Hinweis von einer EU-Delegation in einem - nicht genannten - afrikanischen Land zu Unregelmäßigkeiten bei Ausschreibungen. Es stellte sich heraus, dass eine europäische Firma systematisch die Lebensläufe ihrer Experten fälschte, um so an die Aufträge zu kommen, die mit EU-Mitteln finanziert wurden. Ermittlungen führte Olaf auch gegen EU-Beamte durch, die im Verdacht standen, Schmiergeld zu kassieren.

Hauptproblem Korruption

Korruption ist überhaupt eines der größten Probleme in den EU-Staaten - zumindest wenn es nach den Ergebnissen einer umfangreichen Eurobarometer-Befragung geht, die vor wenigen Monaten präsentiert wurden. Demnach glauben drei Viertel der Unionsbürger, dass Korruption ihrem Land Schwierigkeiten bereitet - auch wenn fast ebenso viele Menschen angeben, dass sie in ihrem persönlichen Alltag nicht davon betroffen sind. Unter den Österreichern finden übrigens gar 80 Prozent, dass Bestechlichkeit ein Problem in ihrem Land ist: Diese Einschätzung ist im Vorjahr stärker gestiegen als in jedem anderen EU-Staat.

Allerdings ist das generelle Empfinden dazu in anderen Ländern noch höher, beispielsweise in Italien, Tschechien, Ungarn, Rumänien oder Bulgarien. Und in Griechenland glauben so gut wie alle Befragten (98 Prozent), dass Korruption eines der Hauptprobleme ist.

Dieses wirkt sich auf den gesamten europäischen Markt aus. Die EU-Kommission schätzt, dass die Kosten daraus für die Wirtschaft in der EU rund 120 Milliarden Euro pro Jahr betragen. Daher drängt die Brüsseler Behörde die Mitgliedstaaten dazu, den Kampf gegen die Korruption zu verstärken. Europäische Institutionen wie Olaf sollen den Ländern dabei helfen.

Auch das EU-Parlament müht sich um einen Beitrag. Erst vor kurzem hat es einen Sonderausschuss zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Korruption und Geldwäsche eingesetzt.