Zum Hauptinhalt springen

EU-Forschung hat Schwächen

Von Thomas A. Friedrich

Europaarchiv
Für die Bewältigung des Klimawandels besitzt die EU ein großes Innovationspotenzial. Foto: bilderbox

Forschungsergebnisse werden zu wenig in bare Münze umgewandelt. | Österreich kommt im EU-Innovationsbericht sehr gut weg. | Brüssel. Die Europäische Union vernachlässigt ihr Innovationspotential im internationalen Wettbewerb. Darunter leiden vor allem innovative, kleine und mittlere Unternehmen. Dies geht aus dem am Donnerstag in Brüssel vorgelegten ersten Innovationsbericht der Union hervor.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Österreich kommt im Bericht sehr gut weg, es werde sich, sollte sich der Trend des letzten Jahrzehnts fortsetzen, bis 2020 im Bereich von Forschung und Entwicklung (F&E) einer Rate von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) annähern und "an die Weltspitze" gelangen, mit ähnlichen Werten wie Schweden, Finnland, Südkorea oder Japan.

Die F&E-Ausgaben seien in Österreich im letzten Jahrzehnt gewachsen - von 1,94 Prozent des BIP 2000 auf 2,79 Prozent 2010. Diese Entwicklung sei deutlich über dem EU-Durchschnitt und bringe Österreich dem Lissabon-Ziel der EU (die Forschungsausgaben bis 2010 auf drei Prozent des BIP zu steigern), nahe. Damit liegt Österreich wie Deutschland (2,82 Prozent) und die Schweiz (3,0 Prozent) vor den USA (2,77 Prozent). In der EU toppen dies lediglich Dänemark und Finnland mit 3,02 und 3,93 Prozent.

Keine Beachtung schenkt der Bericht dem heimischen Finanzrahmen, der ein Sparbudget für die Forschung vorsieht. Hannes Androsch, Vorsitzender der Forschungsrats, sieht schon allein aufgrund dessen Österreichs Wachstumspfad als gefährdet an.

Der über 200-seitige Innovationsbericht listet die Stärken und Schwächen der EU gegenüber den USA, Japan, Asien und den aufstrebenden Ländern auf. So gelinge es der EU zu wenig, ihre Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte umzusetzen. "Die Bildungssysteme müssen stärker den Innovationsbedürfnissen der Wirtschaft angepasst werden, um die schnell wachsenden innovativen Unternehmen besser unterstützen zu können", sagt EU-Forschungskommissarin Máire Geoghegan-Quinn zur "Wiener Zeitung". Nur 46 Prozent der EU-Wissenschafter arbeiten in der Industrie, während in den USA 80 Prozent der Forscher Industrieforschung betreiben.

Obwohl die EU weltweit 2010 mit knapp 30 Prozent die meisten wissenschaftlichen Veröffentlichungen aufwies, ist die Zahl der Patentanmeldungen in Japan und Südkorea doppelt so hoch. Die Hälfte aller EU-Mitgliedstaaten meldet überhaupt keine Hochtechnologie-Patente an.

Der Blick in den Innovations-Atlas zeigt die europäische Malaise höchst anschaulich. Nicht nur die neuen Mitgliedsländer Mittel- und Osteuropas, sondern vor allem auch die derzeitigen Euro-Problemländer Portugal, Italien, Griechenland und Spanien bilden die Schlusslichter.

China ist im Begriff, Europa bis 2014 zu überholen

Dabei hat die EU auch Stärken. So verfügt sie über ein exzellentes Innovationspotenzial zur Bewältigung der großen Herausforderungen des Klimawandels und im Umweltschutz. 2008 entfielen rund 40 Prozent der weltweiten Patente rund um regenerative Energien wie Solar, Wind, Geothermie und Wasserkraft auf die EU. Geoghegan-Quinn schlägt dennoch die Alarmglocke: Im globalen Vergleich fällt Europa bei den F&E-Leistungen dramatisch zurück. Entfielen weltweit Mitte der 90er Jahre noch 29 Prozent der weltweiten F&E-Aufwendungen auf Europa, waren es 2008 nur noch 24 Prozent. Laut EU-Berechnungen schickt sich China an, Europa noch vor 2014 in absoluten Zahlen zu überholen.

Die Zuwächse in den aufstrebenden Weltregionen muten schwindelerregend an: Während die EU ihre Forschungsleistungen zwischen 1995 bis 2008 um 50 Prozent steigerte, legten die USA um 60 Prozent, die asiatischen Staaten um 75 Prozent, Brasilien, Russland, Indien und Südafrika um 145 Prozent und China um 855 Prozent zu. Ein schwacher Trost, dass die EU bei den F&E-Aufwendungen nach zehnjähriger Stagnation 2010 erstmals die Zwei-Prozent-Marke überspringt, mit 2,01 Prozent.