Zum Hauptinhalt springen

EU für lockere Abgaslimits

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

EU-Parlament einigt sich mit Mitgliedsstaaten. | Stufenweise Reduktion bis 2015. | Emissionsrechte für viele Industrien weiterhin gratis? | Brüssel. Die Verhandlungen über die Umsetzung des EU-Klimaschutzzieles zur Reduktion des Treibhausgasausstoßes um 20 Prozent bis 2020 sind in der entscheidenden Phase. Nach monatelangem Tauziehen ist ein erster vorläufiger Erfolg im Streit um die Abgasreduzierung von Neuwagen in der EU gelungen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Entlang eines deutsch-französischen Kompromissvorschlags einigten sich die Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament grundsätzlich, die Emissionslimits für Pkw nur stufenweise einzuführen. Die geplanten 120 Gramm CO2 pro Kilometer im EU-Schnitt müssen erst 2015 vollständig erreicht werden. Die EU-Kommission hatte die Umsetzung bereits bis 2012 verlangt.

Konkret einigten sich die Verhandler von EU-Ländern und Parlament darauf, dass jeder Autohersteller seine Emissionsziele 2012 nur mit 65 Prozent seiner Neuwagenflotte erzielen muss. Der Anteil der konformen Fahrzeuge muss dann jedes Jahr ansteigen. Nach Stufen von 75 und 80 Prozent müssen 2015 alle Pkw den EU-Vorgaben entsprechen. Dafür wurde ein langfristiges Ziel von maximal 95 Gramm pro Kilometer bis 2020 vereinbart.

Schnitt sind 160 Gramm

Nicht alle Abgaseinsparungen von heute im EU-Schnitt 160 auf 120 Gramm pro Kilometer müssen die Fahrzeughersteller durch die Verbesserung der Motorentechnologie erzielen. Diese muss den CO2-Ausstoß nur auf 137 Gramm senken. Weitere zehn Gramm dürfen auf andere Maßnahmen wie Leichtlaufreifen oder energieeffizientere Klimaanlagen entfallen. Und sieben Gramm dürfen sich die Autokonzerne für besonders innovative und umweltfreundliche technische Lösungen wie etwa Solarzellen im Autodach anrechnen lassen.

Geringer als von Brüssel verlangt sollen auch die Strafen für die Überschreitung der Abgaslimits ausfallen. Bis zu drei Gramm CO2 zuviel sollen bis 2019 höchstens 45 Euro Bußgeld pro Auto fällig werden, erst darüber die von der EU-Kommission verlangten 95 Euro. Die hätten ursprünglich sogar pro Gramm und Auto gezahlt werden sollen.

Bei den Grenzwerten wird berücksichtigt, dass größere Autos mehr CO2 ausstoßen als Kleinwagen. Gemäß einer komplizierten Formel erhält jeder Hersteller sein individuelles Klimaziel.

So muss etwa Mercedes seinen Flottendurchschnitt von heute 184 Gramm pro Kilometer bis 2015 auf 138 Gramm reduzieren. Die eher auf Kleinwagen spezialisierte Peugeot-Citroen-Gruppe muss den Abgasdurchschnitt ihrer Neuwagen dagegen nur mehr von 142 auf 126 Gramm drücken, Fiat von 144 auf 122.

Eine Extrawurst gebe es für Nischenhersteller wie Porsche, die ihre CO2-Werte lediglich um 25 Prozent gegenüber 2007 reduzieren müssten, hieß es in Diplomatenkreisen. Noch im Vorjahr hatten die neu vom Band gelaufenen Sportwagen aus Stuttgart einen CO2-Durchschnitt von 282 Gramm pro Kilometer.

Industrie-Emissionen

Auch im Ringen um die Neuauflage des Emissionshandels für die Industrie zeichnet sich eine Lockerung der Vorgaben aus Brüssel ab. So könnten bis zu 90 Prozent der Sektoren ihre Zertifikate weiter gratis zugeteilt bekommen, befürchtet die EU-Kommission. Denn für eine Einigung beim Treffen der Staats- und Regierungschefs haben die der EU vorsitzenden Franzosen industriefreundliche Kompromissvorschläge auf den Tisch gelegt. "Energieintensive Branchen" sollen großzügig definiert werden (und etwa Stahl-, Chemie-, Papier-, Zement-, Kalk- und Alu-Konzerne umfassen). Diesen würden weiterhin 80 bis 100 Prozent ihrer Emissionsrechte gratis zugeteilt.

Diplomaten sehen die EU-Klimaziele nicht gefährdet, Umweltschutzgruppen sind entsetzt. Schon die Lockerung der Pkw-Abgaslimits sei ein "Kniefall vor der Industrie", so Greenpeace.