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EU-geeichter Politveteran

Von Ines Scholz

Politik

Stavros Dimas, der einstige griechische EU-Kommissar, ist für politische Überraschungen gut.


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Athen. Stavros Dimas könnte sich in sein Ferienhaus in der Nähe von Athen zurückziehen und seine Pension genießen. Immerhin feierte der griechische Politveteran und einstige EU-Umweltkommissar im April seinen 73. Geburtstag. Auch finanziell hat er ausgesorgt. Als mehrfacher Ex-Minister und Ex-EU-Kommissar bezieht Dimas eine gute Pension. Zuvor hatte der begeisterte Cafeneio-Besucher nach seinem Ausscheiden aus der Barroso-I-Kommission 2009 drei Jahre lang ein Übergangsgehalt von 100.000 Euro in Anspruch genommen, obwohl er ab Juli 2010 in seiner Heimat bereits ein neues politisches Amt bekleidete - das des Vizepräsidenten der konservativen Nea Dimokratia, dann das des Außenministers im Interimskabinett von Lucas Papademos.

Nun soll Dimas für die große Koalition das Präsidentenamt sichern. Die erste Abstimmung im Parlament am heutigen Mittwoch wird Dimas mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verlieren. Denn dazu müsste er eine Zwei-Drittel-Mehrheit hinter sich haben, und die hat er nicht.

Dennoch könnte das Kalkül von Ministerpräsident Antonis Samaras mit viel politischem Geschick aufgehen, seinen loyalen Parteifreund ins höchste Staatsamt zu hieven.

Angriffiger Humor

Gemeinsam buhlen die beiden schon seit Tagen um die Stimmen der Unabhängigen, die spätestens im dritten Wahldurchgang über Sein oder Nichtsein entscheiden werden. Nicht nur des Herrn Dimas, sondern auch von Samaras und dessen Regierung. Denn wenn Dimas die dann nur noch erforderliche einfache Mehrheit ebenfalls verfehlt, müssen Parlamentswahlen stattfinden - und die werden laut Umfragen die Linkspartei Syriza und ihre Bündnispartner für sich entscheiden. Erfahrung im Umgang mit politischem Widerstand hat Dimas bereits. Als er 2004 von der Nea Dimokratia als EU-Kommissar für Umwelt designiert wurde, rasselte es Kritik. Die Grünen sahen in Dimas, der bei der Anhörung durch völlige Unkenntnis in Sachen Klimaschutzglänzte, einen Wirtschaftslobbyisten. Der US-Uniabsolvent war vor seiner politischen Laufbahn als Rechtsanwalt einer Firma an der Wall Street tätig, arbeitete später in der Weltbank und danach in Athen als Handels-, Landwirtschafts- und Industrieminister. Doch der mit Humor ausgestattete Umweltkommissar überraschte seine Kritiker, als er sich wegen strenger CO2-Obergrenzen unter anderem mit Deutschlands Autoindustrie (und damit auch mit Berlin) anlegte und durchsetzte, dass in der Lissabon-Agenda zur Wettbewerbsfähigkeit der EU Nachhaltigkeit und Umweltschutz anerkannt werden.

Als leidenschaftlicher EU-Befürworter galt der Politveteran immer schon. Dimas, der seit 1977 für die Konservativen im Parlament saß, hatte schon den EU-Beitritt Griechenlands 1981 mit vorbereitet. Er ist ein Mensch, der vereint und begeistert, sagt Samaras über seinen Parteifreund. Vor allem gilt er als besonnen. Dimas denke mehr, als er spreche, schrieb die griechische Presse. Bei Samaras verhalte es sich genau umgekehrt.