Großbritanniens Premier kann es den Euroskeptikern im Land nicht recht machen. Die EU-Gegnerschaft in der Bevölkerung wächst.
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London. Während der britische Premierminister David Cameron am Donnerstag in Brüssel dem Rest der EU erneut seine Reformvorschläge für die Union nahezubringen hoffte, verfolgen in Großbritannien Politiker und Wähler die Bemühungen des Regierungschefs mit wachsender Skepsis. Immer mehr konservative Abgeordnete stufen die Forderungen Camerons an die EU als "trivial" ein - und sehen für ihr Land keinen Grund, weiter in der Union zu bleiben. Ein Unterhaus-Ausschuss warte diese Woche, die Vorschläge des Regierungschefs würden "in keiner Weise den fundamentalen Wandel in den Beziehungen des Vereinigten Königreichs zur EU" herbeiführen, den Cameron versprochen habe. Indes diagnostizieren Meinungsumfragen den Briten eine weiter wachsende Bereitschaft zum EU-Austritt.
Jüngsten Umfragen zufolge stehen etwa die Hälfte der Befragten hinter einem Brexit. Im Sommer waren es nur 20 Prozent gewesen. Informierten Kreisen zufolge planen bereits fünf Kabinettsminister und möglicherweise die Hälfte aller Tory-Abgeordneten, sich der Austritts-Bewegung anzuschliessen - egal, wie die Verhandlungen mit den 27 EU-Partnern verlaufen. Cameron will seine Landsleute spätestens 2017, am liebsten jedoch schon im nächsten Sommer, über den Verbleib in der EU abstimmen lassen.
Hauptmotiv Zuwanderung
Ursprünglich hatte er gehofft, eine Vereinbarung mit den Partnern auf dem EU-Gipfel diese Woche zu treffen, doch hat man sich in London damit abgefunden, dass ein Deal vor Februar nicht möglich sein wird. Das Referendum könnte wenige Monate später stattfinden. Die Frage ist allerdings, ob die von Cameron angepeilte Vereinbarung noch den allgemeinen Erwartungen seiner Landsleute entspricht. Denn Cameron müsste seine Verhandlungsziele schon kräftig herunterschrauben.
Anfang 2015 hatte das Wahlprogramm seiner Konservativen Partei verlangt, dass Zuwanderer aus anderen EU-Ländern für die ersten vier Jahre ihres Aufenthalts in Großbritannien keinen Anspruch auf gewisse Sozialleistungen mehr haben sollten - auch wenn sie Jobs haben und Steuern sowie Sozialversicherungs-Beiträge an London entrichteten. Mit dieser Forderung stieß der Premier bei Ländern wie Polen auf heftigen Widerstand. Inzwischen räumt man auch in London ein, dass sich dieser Punkt so wohl nicht durchsetzen läßt. Mögliche Kompromisse zielen auf wesentlich kürzere "Übergangsphasen" für Neuankömmlinge oder auf Restriktionen nur für arbeitslose Migranten ab.
Nachgegeben hat Cameron auch schon in der Frage neuer EU-Verträge, wie er sie anfangs gefordert hatte. Solche Neuverträge, hieß es aus Brüssel, seien kaum vor dem Jahr 2020 zu erwarten. In Downing Street ist man nun gewillt, sich mit "gesetzlich bindenden und unumkehrbaren" Vereinbarungen zu begnügen, die dann bei künftigen Vertragsänderungen mit in die Neuverträge aufgenommen werden sollen. Das aber halten viele "Euroskeptiker" in Grossbritannien für "Schall und Rauch".
Camerons Ex-Umweltminister Owen Paterson etwa spricht von "purer Schaumschlägerei" bei den Sozialleistungs-Begrenzungen. Und Rob Oxley, ein Sprecher der Austritts-Bewegung, urteilt: "David Camerons Neuverhandlungen summieren sich zu einem trivialen Forderungs-Katalog, der keinerlei Befugnisse nach Grossbritannien zurück bringt und auch den Einwanderungsstrom nicht stoppt."