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EU geht gegen Zahlungsverzug vor

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

Verheugen fordert schärfere Gesetze. | Kritik trifft vor allem die Behörden. | Brüssel. Die meisten Rechnungen würden zu spät bezahlt, rügt EU-Industriekommissar Günter Verheugen. Die Dimension des Problems sei bedrückend, 1900 Milliarden Euro der Umfang der betroffenen Forderungen. Diese massive Last der nur schwer einbringlichen Außenstände sei sehr häufig ein Grund für Insolvenzen.


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Dagegen will die EU-Kommission jetzt per Gesetz vorgehen: Wer nicht innerhalb von 30 Tagen seine Rechnungen begleicht, solle massiv zur Kassa gebeten werden, schlug Verheugen am Mittwoch vor. Dabei hat er vor allem öffentliche Auftraggeber im Visier, die für 1200 Milliarden der verschleppten Zahlungen verantwortlich sein sollen.

"Die Behörden sind die schlechtesten Zahler der EU", sagte der deutsche Kommissar. Sie brauchten im EU-Schnitt 65 Tage, um ihre Schuld zu begleichen. Dabei reiche die Spanne von 14 bis 180 Tagen. Dem Vernehmen nach handelt es sich bei den schnellsten Zahlern um die Briten, die bereits eine zehntägige Zahlungsfrist der Behörden gegenüber Klein- und Mittelunternehmen (KMU) eingeführt haben. Am anderen Ende bei der Zahlungswilligkeit dürfte die italienische Verwaltung stehen.

"Ziel ist Abschreckung"

Daher sollen künftig ab dem 31. Tag, an dem eine Rechnung nicht von den Behörden bezahlt wird, zusätzliche Verzugszinsen, Eintreibungskosten und eine Entschädigung fällig werden. Das Ziel dieser harten Maßnahmen sei eine "wirkliche Abschreckung". Um die Zahlungsmoral von Unternehmen zu fördern, sollen künftig Vertragsklauseln, die Verzugszinsen ausschließen, als sittenwidrig verboten werden.

Für die schleppende Zahlungsmoral der öffentlichen Stellen habe die EU-Kommission ganz grundsätzlich kein Verständnis, so Verheugen. Es gäbe dafür keine gültige Entschuldigung sein, da die öffentliche Hand ihre Aufträge ohnehin nur vergeben könnte, wenn das Geld bereits budgetiert sei. Daher seien die Gründe "schlicht Schlamperei, Missmanagement, Willkür und Machtmissbrauch vor allem gegenüber KMU", donnerte der Industriekommissar. Die Folge ist "ein immenser volkswirtschaftlicher und politischer Schaden, das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der öffentlichen Hand wird geschwächt." Gerade in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise sei das nicht akzeptabel. Denn nach einer Schweizer Studie führe ein Zahlungsverzug von 40 Tagen zu sieben Prozent aller Insolvenzen. Das koste nicht nur Arbeitsplätze, sondern berge auch die Gefahr eines Dominoeffekts, warnte der Kommissar.

Um mit gutem Beispiel voranzugehen, wolle die Kommission daher bereits ab 1. Oktober 2009 ihre Zahlungsfrist für Vorauszahlungen von KMU- und Kommunalförderungen von 30 auf 20 Tage verkürzen. Bei Verzug gelte dasselbe wie für alle anderen Behörden, sagte Verheugen.

Der Richtlinienvorschlag, mit dem vor allem die öffentliche Hand an die Kandare genommen werden soll, könne hoffentlich noch heuer oder Anfang 2010 verabschiedet werden - "es handelt sich schließlich nicht um ein besonders kompliziertes Gesetz", meinte der Industriekommissar. Innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten müsste die EU-Regelung von den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.