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EU-Gipfel billigt Corona-Hilfen von halber Billion Euro

Von Martyna Czarnowska

Politik

Die EU-Staats- und Regierungschefs segnen einen Kompromiss der Finanzminister ab. Die Ankurbelung der Wirtschaft wird aber ein Vielfaches kosten.


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Kühn sind die Pläne - oder zumindest die Forderungen. Bei den Überlegungen, wie Europas Wirtschaft aus der Corona-Krise gehievt werden kann, mangelt es nicht an hehren Worten und hochgesteckten Zielen. Solidarisch, flexibel und innovativ soll es zugehen, wenn ein Instrument zum Wiederaufbau geschaffen wird, wie es auch in den Deklarationen der EU-Staats- und Regierungschefs zu lesen ist. Diese kamen am Donnerstag, erneut digital zusammen, um per Videokonferenz über einen Fahrplan zur ökonomischen Stärkung der Gemeinschaft zu beraten.

Schon im Vorfeld des Treffens forderte Ratspräsident Charles Michel "beispiellose Investitionen", und die EU-Kommission feilte an einem Programm im Umfang von zwei Billionen Euro zur Finanzierung des Wiederaufbaus. Das Geld dafür könnte aus einem entsprechenden Fonds sowie aus dem EU-Haushalt kommen.

Ohne Aufstockung des gemeinsamen Budgets ist dies freilich kaum vorstellbar. Berlin erklärte sich aber schon zu höheren Beiträgen bereit. In einer Rede vor dem Bundestag sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für ein europäisches Konjunkturprogramm aus, das "in den nächsten zwei Jahren den nötigen Aufschwung unterstützen" könnte und wofür Deutschland über einen "begrenzten Zeitraum" deutlich mehr als bisher in den EU-Haushalt fließen lassen würde.

Kredite oder Zuschüsse?

Gleichzeitig machte Merkel nochmals die Ablehnung gegen Euro- oder Corona-Bonds deutlich. Rufe danach kommen unter anderem aus Italien, Spanien und Frankreich. Skepsis dagegen gibt es nicht nur in Berlin, sondern auch in Wien und Den Haag. Dahinter steckt die Debatte um eine mögliche Vergemeinschaftung von Schulden, von der sich Rom oder Madrid Hilfe bei der Ankurbelung der Wirtschaft erwarten. Denn nur günstige Kredite von der Europäischen Investitionsbank (EIB) oder der Euro-Rettungsschirm ESM würden nicht ausreichen, ist die Befürchtung dort. Das Geld muss ja zurückgezahlt werden.

Merkel hält dem entgegen, dass es Jahre dauern würde, bis die gesetzlichen Bedingungen für den Aufbau von Euro-Bonds geschaffen wären. Doch Italien und Spanien riefen ja nach schneller Hilfe. Ein Teil davon wäre aus Merkels Sicht die rasche Umsetzung des Drei-Stufen-Plans, den die Finanzminister vereinbart hatten. Das Paket aus Kreditzusagen des ESM, Darlehen der EIB und der Förderung von Kurzarbeit hat einen Wert von 540 Milliarden Euro. Die deutsche Kanzlerin hofft, dass die Mittel schon ab 1. Juni verfügbar sein werden. Die Staats- und Regierungschefs haben die Maßnahmen jedenfalls nun gebilligt.

Ohne direkte Zuschüsse wird es dennoch wohl kaum gehen - und die könnten teils aus dem geplanten Wiederaufbaufonds kommen. Dessen Höhe und Ausgestaltung sind aber noch offen. Selbst wenn dafür Mittel aus dem EU-Budget verwendet werden, ist der nächste Zwist programmiert. Denn der finanzielle Rahmen für die Jahre 2021 bis 2027 muss erst fixiert werden, und die Haushaltsverhandlungen gehören zu den zähesten in der EU. Im Gespräch sind Ausgaben in Höhe von rund einer Billion Euro in den sieben Jahren.

Ringen um Kompetenzen

Würde es aber nach den Vorstellungen Spaniens etwa gehen, würde zumindest eineinhalb Mal so viel allein im Topf für den Wiederaufbau stecken. Und die Kommission bewegt sich in ihren Berechnungen zwischen 1,6 und zwei Billionen Euro. Sie selbst, heißt es in einem internen Dokument, könnte am Finanzmarkt 320 Milliarden Euro aufnehmen und rund die Hälfte davon an Regierungen weiterreichen. Ein Teil wären direkte Zuschüsse.

Eingebracht hat sich die Kommission bereits bei dem Programm zur Förderung der Kurzarbeit, das Teil des 540-Milliarden-Euro-Pakets ist. Mit bis zu 100 Milliarden Euro sollen Kurzarbeit und Selbständigkeit gestützt werden. Auch da will die Brüsseler Behörde selbst an den Märkten Geld aufnehmen und dieses dann als günstige Kredite weiterleiten.

Damit ist das Vorhaben - anders als etwa der ESM, bei dem in erster Linie die Staaten das Sagen haben - auf EU-Ebene angesiedelt. Ob dies und weitere Schritte bei der Bewältigung der Corona-Krise aber zu einer dauerhaften Verlagerung von Kompetenzen hin zu Brüssel führt, ist noch offen. Bisher ließen sich die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeiten kaum schmälern.

Dennoch ist jetzt wieder die Kommission am Zug. Sie hat von den Staats- und Regierungschefs den Auftrag erhalten, den weiteren Finanzbedarf für den Wiederaufbau einzuschätzen. BIs 6. Mai soll sie auch einen neuen Entwurf fürs EU-Budget vorlegen.

Obergrenze wird fast verdoppelt

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat auf dem Gipfel bereits angekündigt, dass die Obergrenze des EU-Budgets fast verdoppelt werden soll. Die sogenannte Eigenmittel-Deckelung müsste für zwei bis drei Jahre von derzeit 1,2 Prozent des Bruttonationaleinkommens auf rund 2 Prozent angehoben werden.

Die tatsächlichen Ausgaben liegen unter dieser Eigenmittelgrenze. Möglich soll der zusätzliche Spielraum durch Garantien der EU-Mitgliedstaaten werden, kündigte von der Leyen an. Die EU-Kommission könne so Gelder aufnehmen, die dann über das EU-Budget an die EU-Staaten fließen würden. Vier Bereiche sollen dabei Priorität haben, sagte von der Leyen: Kohäsion und Investitionen, die bisherigen Schwerpunkte wie der "Green Deal" zum Klimaschutz und Digitales, drittens die Krisenfestigkeit und "strategische Autonomie" der EU, sowie - in geringerem Ausmaß - die Unterstützung der Nachbarschaft der EU.