Wien - Wird es bald zu Gesprächen mit der Türkei wegen deren EU-Beitritt kommen? "Dies wird eine der sensibelsten Fragen beim Gipfel in Kopenhagen", betont EU-Agrarkommissar Franz Fischler. Er vermutet, dass am Ende die Pragmatiker siegen und ein Datum feststeht. Im Rahmen der EU-Reform ist vorgesehen, dass der EU-Kommissionspräsident künftig vom Parlament gewählt und vom Rat bestätigt wird.
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Die Türkei hat derzeit den Status eines Beitrittskandidaten, doch von konkreten Verhandlungen war bisher nie die Rede. Dass es möglicherweise zu ersten vorsichtigen Annäherungen zwischen den EU-Mitgliedern und dem Nato-Partner am Gipfel in Kopenhagen (12. und 13. Dezember) kommen könnte, liegt für Franz Fischler am Beharrungsvermögen der Türken. "So wie es aussieht, ist es wahrscheinlicher, dass es ein Datum geben wird als keines", sieht Fischler ähnliche Optionen wie EU-Komissar Verheugen (siehe nebenstehenden Artikel). Abhängig sei ein solcher Gesprächstermin von der türkischen Akzeptanz des Zypern-Planes. In diesem hat UNO-Generalsekretär Kofi Annan für die geteilte Insel eine bundesstaatliche Struktur mit zwei Gebietseinheiten vorgeschlagen. Sollten die Türken dieser Lösung zustimmen, dann wendeten sie "den bestmöglichen Hebel" an, um mit der EU ins Gespräch zu kommen. Denn die Türkei würde als Preis sicher einen Verhandlungstermin verlangen. Der für Mittwoch geplante Österreichbesuch des türkischen Regierungschef wurde abgesagt. Recep Tayyip Erdogan begründet seine Entscheidung mit dem Warten auf die neue Regierung.
Erweiterung 2004
Der EU-Beitritt von zehn Kandidaten mit 1. Mai 2004 ist für Fischler fix. Im nächsten Jahr werde es über jedes Land einen Fortschrittsbericht geben, sollten dabei zum Beispiel Mängel in der Agrarpolitik aufgezeigt werden, dann müsste der betroffene Kandidat auf Geld aus dem Agrarbudget verzichten.
Obwohl Fischler, wie alle EU-Vertreter, nicht müde wird, die Erweiterung als Gewinn für alle zu bewerben, gibt er zu, dass Schwierigkeiten auch auf Österreich zukommen. Probleme würden vor allem in Grenzregionen auftreten. Dienstleistungsbetriebe würden ins benachbarte Ausland abwandern oder die günstigeren Pendler bevorzugt anstellen. Ins Schleudern könnten auch die schwachen Getreidestandorte kommen, wenn Österreichs Nachbarn Futtergetreide oder Raps billiger produzierten.
Wesentliches Thema bei Kopenhagener Gipfel sei Finanzierung der Agrarförderungen für die osteuropäischen Landwirte. Die dänische EU-Präsidentschaft habe ein Paket auf dem Tisch, dem noch nicht alle Mitgliedstaaten zugestimmt haben. Im Kern gehe es nur um eine Frage: Soll die Strukturreserve von 2,5 Mrd. Euro für die Kandidaten zur Verfügung stehen? Anstatt der vorgesehenen 25 Prozent könnten bis zu 40 Prozent der in den alten Mitgliedstaaten üblichen Direktzahlungen gewährt werden. Deutschland und die Niederlande seien strikt dagegen. Diese Erhöhung müsste teilweise aus den nationalen Budgets finanziert werden. Zu klären sei auch, ob Bulgarien und Rumänien mehr Geld aus den Fördertöpfen erwarten dürfen.
Im Zuge der EU-Reform soll es zwei Schritte in Richtung Demokratisierung geben. Künftig soll zumindest der Kommissionspräsident vom Parlament gewählt und im Rat bestätigt werden. Außerdem sollen alle Vorschläge der EU-Kommission das Parlament durchwandern, danach muß im Rat die qualifizierte Mehrheit entscheiden. Auch der Agrarhaushalt werde dann im Parlament beraten.
Einheitliches Vorgehen fordert Fischler auch in der Außen- und Sicherheitspolitik. Doppelgleisigkeiten wie ein hoher Repräsentant des Rates und ein Außenkommissar müssten ein Ende haben. Die fusionierte Funktion sollte bei der Kommission angesiedelt sein.