· Alt-Bundeskanzler Franz Vranitzky hat sich dafür ausgesprochen, dass die bis Jahresende geplante Europäische Grundrechscharta verbindlichen Charakter haben soll. Die "feierliche | Proklamation" des Rechtskatalogs allein reiche nicht. Die EU müsse dafür sorgen, dass die Rechte auch einklagbar sind.
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Am 1. Februar tritt die mit der Erstellung der Grundrechtscharta beauftragte Expertengruppe unter der Leitung des früheren deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog zusammen. Vranitzky wird als
Vertreter der österreichische Regierung in dem 15-köpfigen Gremium sitzen. Die Charta soll nach dem Beschluss des Europäischen Rats in Köln zu Jahresende vorgestellt werden.
Vor allem vor dem Hintergrund der zwei großen künftigen Herausforderungen der EU, nämlich der Weiterentwicklung von einer Wirtschafts- zu einer politischen Gemeinschaft sowie der Erweiterung sieht
Vranitzky in der Festschreibung eines Grundrechtskatalogs große Vorteile: Den EU-Bürgern bringe sie Rechtssicherheit und fördere das europäische Identitätsbewusstsein. Hinsichtlich der Erweiterung
sei sie hilfreich, weil "sie eine rechtliche Basis festlegt, auf die sich die Beitrittskandidaten einstellen können".
Ob die Charta schließlich in eine gemeinsame Europäische Verfassung münden wird, ist nach Meinung Vranitzkys angesichts einer beharrlichen Integrationsskepsis derzeit noch nicht absehbar.
"Dies ist jedenfalls ein "Langlangfristthema". Neben klaren Befürwortern wie den deutschen Außenminister Joschka Fischer gebe es auch Kritiker, die argumentierten, dass die EU mangels Staatsvolks gar
nicht verfassungsfähig sei. Differenzierter sei da die Kritik des deutschen Exkanzlers Helmut Schmidt, der befürchtet, dass Reformen in der EU aufgrund der für eine Verfassungsänderung nötigen
Zweidrittelmehrheit zu schwer durchzusetzen wären.
Inhaltlich sollen in die Grundrechtscharta neben der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auch soziale Grundrechte sowie neue Rechtsbereiche wie Gentechnologie, Nahrungsmittelskennzeichnung
und Organtransplantation einfließen.