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In der Frage der Sanktionen der anderen EU-Staaten, diplomatische Beziehungen mit Österreich auf "technische" herunterzustufen und Termine abzusagen, scheiden sich seit der Regierungsbeteiligung der FPÖ im Februar die Geister darüber, ob die Maßnahmen der EU-14 nun legitim oder nicht legal seien. Regierungsvertreter und Gegner der VP-FP-Koalition berufen sich gleichermaßen auf die so genannten "europäischen Werte". Diese sind nur nirgendwo explizit definiert. Stellt sich die Frage: Welche sind die Grundwerte der EU?
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Toleranz und Humanität, eine demokratische Ordnung, die allgemeine Geltung der Grund- und Menschenrechte sowie der Rechtsstaatlichkeit und Freiheit - dazu bekennen sich die europäischen Staaten. So auch die Bundesregierung in Österreich, die dazu sogar eine Präambel unterzeichnete. Europa hat gegen die eigenen Werte in der Vergangenheit aber auch immer wieder - Stichwort Nationalismus - verstoßen. Der Traum vom gemeinsamen Europa wird seit zwei Jahrhunderten geträumt. Nun, im dritten Jahrtausend wirkt die Europäische Union (EU) bereits über eine Wirtschafts- und Währungsunion hinaus. Wird Österreich vom schokoladigen Klischee der Sachertorte und Mozartkugeln Abschied nehmen müssen?
Jüdisch-christliche Tradition
"Die EU-Grundwerte sind ein Ergebnis der Entwicklung aus der europäischen Antike und aus der christlichen und jüdischen Tradition", präzisiert Erhard Busek im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Dieses jüdisch-christliche Verständnis habe zu einer Reihe von anerkannten Werten wie der Menschenwürde, dem Menschenrecht, der Respekt vor dem Individuum, aber auch der durch Ergebnisse nachprüfbaren Wissenschaftlichkeit geführt.
"Für ein gutes Leben"
Weiter zurück an die etymologische, die Herkunft betreffende, Bedeutung des Wortes "Grundwert" geht der Philosoph Helmuth Vetter, Vorstand im Institut für Philosophie an der Universität Wien, in seiner Analyse. "Man muss die Frage stellen, ist die EU als Wertegemeinschaft tatsächlich wert, eine Gemeinschaft zu sein." Soll heißen, Wert ist das, was einen Preis hat, zitiert er Thomas Hobbes. "Oder ich würde sagen, was wert für ein gutes Leben ist", so Vetter. Bei der Frage der Geminschaft rückt er das Konzept der Familie in der Vordergrund.
In diesem Sinn entsprechen "politische Untaten" nicht dem Selbstverständnis eines ganzen Staates, meint der Philosoph vorsichtig. Österreich sei "nicht ident mit einer Partei oder gar mit einer Person", stellt er klar.
Ähnlich der Tenor von Erhard Busek, der aus seiner Kritik an der FPÖ unter der Obmannschaft von Jörg Haider nie ein Hehl gemacht hat. "Man darf nicht ein ganzes Land mit einer Regierung verwechseln." Österreich stehe keineswegs außerhalb der Werte der EU, kritisiert Busek die Aussage der EU-Parlamentspräsidentin Nicole Fontaine anlässlich der Rede von Bundespräsident Thomas Klestil vor dem EU-Parlament. Die EU-Präsidentin habe da etwas verwechselt, so Busek.
Kommunikationsproblem
Kritik übt der ehemalige Minister, ÖVP-Obmann und nunmehrige Regierungsbeauftragte für die EU-Erweiterung auch an der EU-Kommission. Diese habe in der Vergangenheit zu wenig Informationspolitik betrieben und über die Wertepolitik nur unzureichend aufgeklärt. Dazu gehöre eben auch, dass die Kommission über andere Mitgliedsländer informieren müsse. Versagt hat aus Buseks Sicht auch die österreichische Diplomatie. "Offensichtlich haben die Kommunikationslinien zur Nachbarschaft nicht funktioniert."
Der Geisteswissenschafter Helmuth Vetter sieht ebenfalls ein Problem der Kommunikation bestehen. Die Weiterentwicklung der Europäischen Union müsse in einem Kommunikationsprozess vermittelt werden.
An die Union stellt Vetter den Anspruch, dass sich die Staatengemeinschaft "in Teilethiken hinein" weiterentwickeln müsse. Etwa im Bereich der internationalen Beziehungen müsse eine "ökologische Ethik" ("Tierethik") Niederschlag finden. Konkreten Nachholbedarf ortet Erhard Busek vor allem im Bereich der Sozialpolitik und der Bildung. Als "Lebensnerv" für die EU in der Zukunft sieht Vetter die Frage der Migration, die in der Charta der EU-Grundrechte unbedingt berücksichtigt werden müsse (siehe untenstehenden Bericht). Die Frage sei nur, in wieweit die Grundrechte einklagbar sein werden, meint Vetter.
Nahrung für Diskussion
Ausgelöst wurde die anfangs heftige Diskussion über die europäischen Grundwerte durch die FPÖ-Regierungsbeteiligung in Österreich. "Ich bin nicht unbedingt dankbar dafür", so Busek zynisch. Kritik sei aber immer ein Auslöser für einen Diskussionsprozess.
Der derzeitige Ansatz zu den europäischen Grundwerten ist für den Philosophen Vetter wert, in Zukunft weiterentwickelt zu werden. Der Entwiclungsprozess müsse weitergehen, bekräftigt er. Europa wird sich überflüssig gemacht haben, wenn die europäischen Werte gegriffen haben werden.