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EU hält sich bei Irak heraus

Von Denise von Cles

Europaarchiv

Während in Washington zumindest rhetorisch die Säbel rasseln, herrscht in der EU in der Auseinandersetzung um eine mögliche Militäroperation zum Sturz des irakischen Regimes weitgehend Funkstille. Position haben bisher nur einzelne Mitgliedstaaten bezogen. Von den "Kleinen" äußerte sich lediglich die dänische Regierung als EU-Ratspräsidentschaft vorsichtig ablehnend, die Übrigen bewahren strengstes Stillschweigen.


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Der britische Premier Tony Blair zeigt sich zwar auf Grund der traditionellen Sonderbeziehungen zu Washington am geneigtesten, die USA militärisch zu unterstützen. Seine ersten vorsichtigen Vorstöße in diese Richtung wurden aber denkbar kühl im House of Commons aufgenommen, wo eine Mehrheit einen "Angriffskrieg" auf Bagdad ablehnt.

Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder zog das Thema in den Wahlkampf hinein. "Wir stehen nicht für Abenteuer zur Verfügung", lautet seine unmissverständliche Botschaft an Washington. Gegenüber seiner noch beim französisch-deutschen Gipfeltreffen Ende Juli in Schwerin gemeinsam mit Staatspräsident Jacques Chirac bekräftigten Position, ohne UNO-Mandat dürfe es keine militärische Intervention gegen Präsident Saddam Hussein geben, hat sich Schröder damit zu einem "richtigen Pazifisten" weiter entwickelt, so der ironische Kommentar im Umkreis des Beauftragten für gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana.

Aber auch Solana selber hat derzeit offenbar wenig Lust, seinen Sommerurlaub zu unterbrechen und nach Washington zu reisen, um US-Präsident George Bush die europäischen Besorgnisse über eine mögliche Irak-Intervention darzulegen. Dies würde im Moment auch wenig Sinn machen. Denn dafür bräuchte Solana ein Mandat der Fünfzehn. Ein Solana-Sprecher verwies darauf, dass dieses Mandat erst noch beschlossen werden müsste. Allerdings ist das nächste Treffen der EU-Außenminister am 30. und 31. August nur informell und kann daher keine Entscheidungen treffen.

Eine Sondersitzung der EU-Außenminister im September wird in Brüssel zwar nicht vollkommen ausgeschlossen, aber dann müsste es schon einen richtigen Anlass von einer US-Intervention bis hin zu Terroranschlägen geben, heißt es in EU-Ratskreisen. "Für eine Reaktion braucht es erst eine Aktion". Diese sei aber vorerst nicht in Sicht. Bush selber habe versprochen, nochmals nachzudenken. Die US-Administration hat noch keine klare Linie bezogen, sondern ist in "Falken und Tauben" gespalten. Eine unmittelbar bevorstehende Militäroperation gilt damit als unwahrscheinlich.

Sollten die EU-Staaten sich zu einer gemeinsamen Position aufraffen, so dürfte diese allenfalls in einer Bekräftigung von Altbekanntem bestehen: Erst beim letzten Treffen der Außenminister im Juli war nochmals die Stellung der EU zum Irak als "A-Punkt" auf der Tagesordnung abgehakt worden, d.h. ohne Diskussion. Sie besagt, dass sich Saddam Hussein an die Resolutionen des UNO-Sicherheitsrates halten und UNO-Inspektoren ins Land kommen lassen muss, um überprüfen zu lassen, ob der Irak ABC-Waffen herstellt. Nur bei einem Einlenken des irakischen Präsidenten stellt die EU in Einklang mit der UNO eine schrittweise Aufhebung des Ölembargos in Aussicht. Viel mehr dürfte es auch jetzt nicht werden.