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Caspar Einem im "WZ"-Gespräch: Das EU-Verfassungsproblem ist lösbar. | Warnung vor falschen Signalen an die Türkei. | Wiener Zeitung:Diese Woche hat Finnland als 16. EU-Land die Verfassung ratifiziert. Derselbe Text wurde aber schon von Frankreich und den Niederlanden bei Volksabstimmungen abgelehnt. Sehen Sie einen Ausweg?
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Caspar Einem: Technisch ist dieses Problem lösbar. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat schon erkennen lassen, wie das ginge. Und zwar indem derselbe Text weiter verwendet, aber um ein Protokoll ergänzt wird. In diesem werden Fragen geklärt, die für alle, aber besonders für Frankreich und die Niederlande, von Bedeutung sind. Ich bin schon gespannt, was die deutsche Präsidentschaft im nächsten Halbjahr in die Wege leiten wird.
Wie viel kann Deutschland aber überhaupt bewirken - vor allem in Bezug darauf, dass in Frankreich im Frühjahr Wahlen stattfinden?
Es wird nichts entschieden werden. Die deutschen Vorschläge werden im Juni im Rat vorliegen, wenn die französischen Wahlen vorbei sind. Der schon unter dem österreichischen Vorsitz erarbeitete Plan sieht ja vor, dass die Verfassung - wenn überhaupt - erst unter französischer Präsidentschaft (im zweiten Halbjahr 2008, Anm.) endgültig verabschiedet wird. Das gibt Frankreich den Spielraum, ein Problem zu lösen, an dessen Verursachung es teilgehabt hat.
Die Verfassung sollte ja auch die Integration der neu beigetretenen Staaten erleichtern. Wie beurteilen Sie nun deren Integration ohne die Verfassung?
Ohne die Verfassung ist es wesentlich komplizierter. Es war schon zu fünfzehnt nicht leicht, an einem Strick zu ziehen. Jetzt mit 25 ist das exponentiell schwieriger.
Etwa, als Polen sich bei den Verhandlungen zu einem Partnerschaftsabkommen der EU mit Russland querlegte, da Russland ein Einfuhrverbot für polnisches Fleisch beschlossen hatte?
Da hat sich Europa zuvor in dieser Frage nicht wirklich für Polen engagiert und die gebotene Solidarität innerhalb der EU vermissen lassen. Andererseits gelten die Polen als schwieriger Partner, der ständig Sonderwünsche hat. Weshalb die anderen Polen mitunter ganz gern im Regen stehen lassen. Das war in dem konkreten Fall falsch. Nachdem also Europa Polen keinen guten Dienst erwiesen hatte, erwiesen die Polen Europa keinen guten Dienst.
Wie beurteilen Sie die Rolle des schwierigen Partners Polen generell?
Polen ist in einer besonderen historischen Situation. Das Land hat in Europa die letzen 300 Jahre nicht viel zu lachen gehabt. Die übrigen Europäer haben sich mit dieser Frage weitgehend nicht auseinandergesetzt. Polen ist jetzt erstmals wieder in der Situation der vollen staatlichen Souveränität und kann nun zeigen, was es wirklich will. Merkwürdig ist eher, was das für eine Überraschung das ausgelöst hat.
Zum nächsten Problemkind, der Türkei. Was halten Sie von der Forderung, die Verhandlungen auszusetzen, wenn die Türkei sich weiter weigert, seine Häfen für zypriotische Schiffe zu öffnen?
Ich denke, es ist in Ordnung, wenn man die Verhandlungen eine Zeit lang aussetzt. Denn es gibt neben dem Ankara-Protokoll auch andere Punkte, bei denen der Fortschritt in der Türkei nicht weit genug gegangen ist. Allerdings sollten wir beim Aufbau von Widerstandspotentialen gegen die Türkei vorsichtig sein. Solche Entscheidungen wie die französische, in die Verfassung zu schreiben, dass die Aufnahme der Türkei jedenfalls einer Volksabstimmung bedarf, das sind in Wirklichkeit ganz andere Signale: Ihr könnt machen, was ihr wollt, euch wollen wir nicht. Außerdem sollte Europa sehen, wo die eigenen Interessen liegen - derzeit besteht die Gefahr, dass die Türkei in einen stramm rechten Nationalismus zurückkippt, sich politisch von Europa entfernt und sich diesem nicht ganz einfachen Raum Iran-Irak annähert. Das kann nicht unser Interesse sein.
Sie sind Europa- und Außensprecher der SPÖ. Wie kann Europa wieder näher an die Bürger heranrücken?
Es heißt immer, man müsste mehr kommunizieren - aber ich glaube, dass die Bürger von irgendwelchen Werbemaßnahmen genug haben. Vielmehr müssen ihre konkreten Erwartungen erfüllt werden. Die Bürger haben seit Jahren das Gefühl, dass die EU nur binnenmarktorientiert ist und nichts weiter als eine Liberalisierung und Verschärfung des Wettbewerbs mit sich bringt. Die Menschen sind als Konsumenten bereit, billigere Waren zu nehmen. Aber wenn sie deswegen ihre Arbeit verlieren, dann ist ihnen das ziemlich egal. Und die Zahl derer, die aus den geschützten Bereichen kamen und nun dem Wind des Wettbewerbs ausgesetzt sind, ist einigermaßen groß. Die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen für diese Menschen sind ausgeblieben, die gilt es zu setzen.
Also konkrete Maßnahmen statt einer Diskussion über europäische Werte?
Ja, ich glaube nicht, dass man mit einer Wertediskussion noch irgendjemanden hinter dem Ofen hervorlockt.