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Deutschland hat es also hinter sich, die dortigen Medien beklagten im Wahlkampf vor allem fehlende Inhalte. Na gut, die schauten nicht auf Österreich. Interessant war aber doch, dass Europa so gut wie kein Thema war. Dafür wird die deutsche Wahl in allen anderen EU-Ländern mit großem Interesse verfolgt, so als ob mit dieser Wahl Entscheidungen von europäischer Tragweite gefällt werden würden.
Nun, so ist es wohl auch. Deutschland ist der Hegemon Europas geworden, auch wenn dies vor allem auf die dicke Brieftasche zurückzuführen ist. Wenn in Deutschland das Wahlergebnis eine große Koalition praktisch erzwingen würde, wäre das für Europa eine Erleichterung. Die SPD würde zusätzliche Investitionsmittel zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit einfordern, auch wenn dies mit höheren Haftungen Deutschlands verbunden wäre. Und Angela Merkel würde sich wohl ohne große Gegenwehr schubsen lassen.
Interessant, vor allem aus österreichischer Sicht: Die große Koalition wäre bei den Deutschen die beliebteste Koalitionsvariante - davon können SPÖ und ÖVP nur träumen. In Österreich hat sich die große Koalition vor allem das Prädikat "Stillstand" eingehandelt, unter anderem, weil Regierungspolitik in Österreich ganz anders definiert ist. Während in Deutschland das Kanzleramt eine sogenannte Richtlinien-Kompetenz aufweist, muss der Kanzler in Österreich hoffen, dass der jeweilige Minister entweder der eigenen Partei angehört oder auf ihn hört. Das zeigte sich öfters in Brüssel, wenn die Finanzministerin (ÖVP) oder der Landwirtschaftsminister (ÖVP) anfänglich andere Positionen vertraten als der Bundeskanzler (SPÖ).
Das ist vermutlich mit ein Grund, warum der österreichische Wähler die große Koalition nicht mehr versteht, denn er erwartet mit Recht eine in Sachfragen einige Regierung. Das war bei der letzten "GroKo" in Deutschland der Fall - der Beginn der Krise wurde eindeutig besser gemeistert als ihr Verlauf. Die (aus der FDP kommenden) Kuriositäten brachten Merkel in Europa in Verlegenheit. Wie immer es ausgeht am Sonntag in Deutschland, für die EU wäre eine große Koalition in Berlin wünschenswert.
Und für Österreich wäre zu wünschen, dass ein Stück der sachlichen Art deutscher Prägung auf die nächste Regierung in Wien abfärben würde - gerade wenn sie erneut als große Koalition daherkommt.