Verhandlungen offen; Abfuhr für Vorschläge der EU-Kommission. | Kaum noch Chancen auf Zieldatum 2012. | Brüssel. Die EU hat nur zwei Jahre vor dem geplanten Fertigstellungsdatum noch keine Rezepte für ein einheitliches Asylsystem. Das wurde beim Treffen der Innenminister am Donnerstag offensichtlich. Denn ein Vorstoß des EU-Vorsitzlandes Belgien für raschere Verhandlungen stieß schon im Ansatz auf massiven Widerstand. Für die Vorschläge der EU-Kommission setzte es in zentralen Bereichen eine Abfuhr. Vorrang vor dem Zieldatum 2012 habe die "Qualität der Gesetzestexte", hieß es in Delegationskreisen.
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Konkret wollten sich die Belgier nur auf jene Bereiche des umfangreichen EU-Gesetzespakets konzentrieren, bei denen eine baldige Einigung denkbar sei, wie Migrationsstaatssekretär Melchior Wathelet erklärte. Darunter wähnt er die Überarbeitung der sogenannten Dublin-Verordnung, laut der jenes Land für das Asylverfahren verantwortlich ist, in dem der Asylwerber EU-Boden betritt. Die Rückführung dorthin aus anderen EU-Ländern solle künftig ausgesetzt werden, wenn das Ankunftsland wegen eines außergewöhnlichen Flüchtlingsansturms überfordert ist, lautet eine zentrale Forderung von Kommission und EU-Parlament, an der Belgien festhalten wollte. Denn noch sind allen die schrecklichen Bilder von Massenlandungen und Toten in Malta, Griechenland und der italienischen Insel Lampedusa in Erinnerung.
Solidarität der Länder
Doch rund zwei Drittel der Mitgliedstaaten wehrten sich entschieden dagegen. Neben den üblichen Skeptikern wie Österreich, Deutschland, Frankreich und Großbritannien habe dazu etwa auch Malta gezählt, hieß es in Delegationskreisen. Die Malteser hätten neue Anreize für illegale Immigration gewittert, wenn klar wäre, dass die Asylwerber ohnehin an andere EU-Länder weitergereicht werden könnten.
Keineswegs dürften freilich die Mitgliedstaaten Südosteuropas von der Migrationslast erdrückt werden, erklärte der zuständige französische Minister Eric Besson. Europa müsse sich solidarisch zeigen. Doch bestehe die Solidarität eher in der praktischen Zusammenarbeit wie personeller Unterstützung oder Schulungen, meinte ein Experte.
Unklar ist auch die künftige Nutzung der Daten der Asylwerberdatenbank Eurodac, die derzeit strikt nur für Asylverfahren verwendet werden dürfen, für die Strafverfolgung. Und einheitliche Standards für die Asylanerkennung hätten die Belgier auch gerne gefunden. Hier wenden sich nicht nur Österreich und Deutschland strikt gegen die Ausweitung des Familienbegriffs für den Familiennachzug. Werde über die Kernfamilie von Eltern und Kindern hinausgegangen, könne sich die Zahl der Migranten pro Asylgewährung vervielfachen, hieß es.
Einheit in weiter Ferne
Wegen Hoffnungslosigkeit ganz aus der Diskussion genommen wurden bisherige EU-Vorlagen für einheitliche Standards bei Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen. Sie werde im Herbst womöglich neue Vorschläge machen, meinte Innenkommissarin Cecilia Malmström. Und am Ende könnten wegen der Querschnittsmengen nur alle EU-Gesetze gleichzeitig zu einem Asylsystem zusammengefügt werden, meinte ein Experte. Wann das sein könnte, ist ebenfalls völlig offen.