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Außenminister erweitern die Sanktionsliste, schrecken aber noch vor scharfen Sanktionen zurück.
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Luxemburg/Washington. Eines der bedrohlichsten Ereignisse in der Geschichte Europas im 20. und 21. Jahrhundert: Mit diesen Worten bezeichnete Polens Premierminister Donald Tusk die Vorgänge im Nachbarland. Der ukrainisch-russische Konflikt sei eine Gefahr nicht nur für die Staaten in der Region, sondern für den ganzen Kontinent. Die Pressekonferenz, bei der Tusk dies feststellte, fand an einem besonderen Ort statt: in Lask, im Zentrum Polens, wo sich eine Militärbasis befindet. Der Premier besuchte dort polnische und US-amerikanische Soldaten.
Zur gleichen Zeit sprach sein Außenminister, Radoslaw Sikorski, rund tausend Kilometer weiter westlich ebenfalls über Militäreinheiten - allerdings über russische. In Luxemburg, wohin er zu einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen gereist war, forderte er den Kreml auf, russische Soldaten aus der Nähe der ukrainischen Grenze abzuziehen und bewaffneten Gruppen in der Ostukraine keine Unterstützung zu gewähren.
Polen, das seinem Nachbarn am liebsten eine EU-Mitgliedschaft in Aussicht stellen würde, gehört zu jenen Ländern, die sich eine scharfe Reaktion auf Russlands Vorgehen in der Ukraine wünschen. Und mittlerweile können sich das auch zuvor zögerliche Staaten vorstellen. So schloss der britische Außenminister William Hague weitere Sanktionen gegen Russland nicht aus. Auch sein österreichischer Amtskollege Sebastian Kurz sprach von einer möglichen Ausweitung der Strafmaßnahmen. Frankreichs Ressortleiter Laurent Fabius spekulierte bereits mit der Möglichkeit eines Sondergipfeltreffens der EU.
Doch gibt es ebenso Skeptiker. Mit Sanktionen allein könne das Problem nicht gelöst werden, befand beispielsweise Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Doch sollte Moskau klargemacht werden, dass das Vertrauen der Wirtschaft in Russland stark gelitten habe. EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kündigte Montag Abend zwar weitere Sanktionen an, blieb Details aber schuldig. Vor harten ökonomischen Strafmaßnahmen scheuen die Europäer zurück. Bisher haben sie sich auf Konten- und Einreisesperren beschränkt. In Luxemburg beschlossen die Minister, vier weitere Namen auf die Liste der Personen zu setzen, deren Guthaben in der EU wegen Veruntreuung ukrainischer Staatsgelder eingefroren werden. Davon betroffen sind nun 33 Personen.
Parallel dazu setzt die EU auf finanzielle Unterstützung der Ukraine. So sind nun Hilfskredite in Höhe von einer Milliarde Euro freigegeben. Das Geld kann zusammen mit einer früher beschlossenen Tranche von 610 Millionen Euro in den Haushalt der Ukraine fließen, die sich dafür zu politischen und ökonomischen Reformen verpflichten soll.
Außerdem soll es Erleichterungen für die ukrainische Wirtschaft geben. Die EU verzichtet nämlich auf so gut wie alle Einfuhrzölle auf Industrieprodukte und einen Großteil der Abgaben auf Agrarerzeugnisse. Dies soll den Exporteuren Einsparungen in der Höhe mehrerer hundert Millionen Euro bringen.
Vierer-Treffen
als Hoffnungsschimmer
Darüber hinaus kann sich das knapp vor der Pleite stehende Land auf Kreditgarantien aus Washington freuen. US-Finanzminister Jacob gab am Montag am Rande eines Treffens mit dem ukrainischen Amtskollegen Alexander Schlapak eine Kreditbürgschaft in Höhe von einer Milliarde Dollar (720 Millionen Euro) frei. Ende des Monats will dann auch der Internationale Währungsfonds Hilfskredite bis zu 18 Milliarden Dollar beschließen.
Ganz oben auf der Agenda des Westens stehen angesichts der jüngsten Eskalation im Osten derzeit aber die Bemühungen, Russland von weiteren Provokationen oder gar einem Einmarsch abzuhalten. Die Hoffnungen liegen dabei auf dem für Donnerstag fixierten Genfer Treffen von EU, USA, Russland und der Ukraine. Allerdings drohte Moskau bereits, die Vierergespräche platzen zu lassen, sollte es zu dem von Kiew angekündigten "Anti-Terror-Einsatz" gegen prorussische Separatisten kommen. Der am Montag bestätigte Besuch von CIA-Chef John Brennan am Wochenende in Kiew dürfte nicht zur Entspannung beigetragen haben.
Laut den USA hat die russische Armee 40.000 Mann an der Grenze stationiert und führt auch sonst seine Macht zur Schau: Am Montag ließ Wladimir Putin eine mit Nuklearsprengköpfen bestückbare Interkontinentalrakete vom Typ RS-24 testen.
Wie unüberwindbar die Gräben zwischen Westen und Kreml sind, wurde in der von Moskau einberufenen Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates am Sonntagabend deutlich. Über Schuldzuweisungen kam man nicht hinaus. Während US-Botschafterin Samantha PowerRussland vorwarf, die Unruhen in Donezk, Charkiw und Slawjansk angezettelt zu haben, ortet Moskau hinter so manchen ukrainischen Uniformierten im Osten Mitarbeiter einer privaten US-Sicherheitsfirma, die im Auftrag Washingtons den Aufstand niederschlagen soll.