Landeinsatz ist durch UNO-Mandat aus dem Jahr 2008 gedeckt.|Experte: "Müssen Logistik zerstören"
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Brüssel/Mogadischu. Aus den großen Schlagzeilen sind die Piraten vor den Küsten Somalias mittlerweile verschwunden. Das kann sich die breite internationale Koalition zum Kampf gegen die Seeräuber, an der sich neben den USA auch die Europäische Union (in Form von Nato- und EU-Missionen) sowie China, Russland und zahlreiche weitere Staaten beteiligen, durchaus als Erfolg auf die Fahnen heften. Aber besiegt, sofern man einen solchen Gegner überhaupt besiegen kann, sind die Piraten damit noch lange nicht. In den Gewässern rund um das Horn von Afrika, die gemeinhin als die gefährlichsten der Welt gelten, wurden im Vorjahr 230 Piratenangriffe gezählt.
Um den Übeltätern endgültig das Handwerk zu legen, haben sich nun die EU-Verteidigungsminister eine Ausweitung ihres Anti-Pirateneinsatzes Atalanta geeinigt: Statt nur zu Wasser sollen künftig auch die Infrastruktureinrichtungen an den Stränden Somalias beschossen werden. "Solange nicht auch die Logistik der Piraten zerstört wird, lässt sich das Problem nicht nachhaltig lösen", erklärt dazu der Bonner Marine-Experte Jürgen Kratzmann der "Wiener Zeitung".
Ziel der Angriffe sollen dementsprechend Treibstofflager, Waffen und Boote sein, die vom Wasser und aus der Luft ins Visier genommen werden. Der Einsatz von Bodentruppen ist nicht geplant. In Brüssel verbindet sich mit der grundlegenden Einigung die Erwartung, dass sämtliche an Atalanta beteiligten Staaten der Ausweitung der Mission zustimmen; eine verpflichtende Mitwirkung damit jedoch nicht vorgesehen. Die Hauptlast bei Atalanta tragen Spanien, Deutschland und Frankreich sowie sechs kleinere EU-Staaten, Österreich ist als Binnenland nicht vertreten.
Warlords als Steuermänner
Einer Zustimmung Somalias bedarf es dazu rein rechtlich nicht, erläutert Kratzmann, da der Einsatz auf einem UNO-Mandat vom Oktober 2008 beruht. Zudem gibt es auf somalischer Seite schlicht keinen offiziellen Ansprechpartner: Das Land ist tief gespalten, vom jahrzehntelangen Bürgerkrieg verwüstet und die Regierung de facto ohne jeden Einfluss; in den einzelnen Regionen haben kriminelle Warlords das Sagen. Letztere sind es auch, die die Seeräuberei und damit verbundene Geiselnahmen als lukrative Einkommensquelle betrachten.
Koordiniert werden die diversen Einsätze zum Schutz humanitärerer Hilfslieferungen für Somalia und der internationalen zivilen Handelsschiffe übrigens von Großbritannien aus, das auch als Hauptquartier für die Nato-Mission "Operation Ocean Shield" fungiert.
Der Kampf gegen die Piraterie vor Somalia wird auch von nicht-militärischer Seite intensiviert: Deutschland und die Niederlande wollen künftig die Finanzströme aus den erpressten Lösegeldern unterbinden. Von den erpressten Geldern blieben etwa 60 Prozent im Land und 40 Prozent gingen ins Ausland.