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EU kämpft für ihr Wohlfühlbudget

Von Reinhard Göweil aus Brüssel

Politik

Fast 470 Milliarden Euro | fürs Wachstum.


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Brüssel. "Wir wollen mehr Europa mit dem gleichen Geld finanzieren", sagt der für den Haushalt zuständige EU-Kommissar Janusz Lewandowski. Der gebürtige Pole muss zwar den geplanten Haushalt erst den einzelnen EU-Regierungen verkaufen, aber die Argumentation der Kommission ist klar: "Das EU-Budget geht zu 80 Prozent in Investitionen", sagte Lewandowski am Mittwoch in Brüssel zu österreichischen Journalisten. "Die nationalen Budgets werden dagegen zu 94 Prozent konsumiert, sind also nach einem Jahr weg."

Für Europa bedeutet dies, dass das EU-Budget in den kommenden Jahren die einzige öffentliche Quelle ist, aus der konjunkturbelebende Mittel sprudeln. Die nationalen Budgets stehen wegen der Schuldenkrise unter erheblichem Druck, überall wird gespart - nicht nur in den hochverschuldeten Ländern. Die EU-Kommission plant daher, das neue Budget bis 2020 wirtschaftspolitisch eng abgestimmt aufzusetzen. Aus den Strukturfonds sollen 376 Milliarden Euro zur Verfügung stehen, der Fonds ländliche Entwicklung ist mit 90 Milliarden Euro dotiert.

Zwar maulen die Nettozahler wie Deutschland und Österreich, dass es nicht zu teuer werden darf, auch dafür hat die EU-Kommission ein Argument parat. Größter Empfänger von Euro-Investitionshilfe ist und bleibt Polen, dort entfällt ein Drittel aller öffentlichen Investitionen auf EU-Programme. Deutsche Unternehmen, die sich an solchen Programmen beteiligen, bekommen 85 Cent davon. Und österreichische Betriebe, die mit Hilfe des EU-Geldes in Polen Geschäfte machen, können 59 Cent für jeden investierten Euro auf sich verbuchen. "Auch Nettozahler profitieren stark von den EU-Fonds", sagte ein hoher Kommissionsbeamter, der ungenannt bleiben wollte. Dazu kommen noch zusätzliche Mittel aus "indirekten Euro-Bonds". Über ein spezielles Programm können im Energie-, Transport- und Datenübermittlungs-Bereich zweistellige Milliardenbeträge lukriert werden - meint die Kommission. Private Investoren können niedrig verzinste, aber sichere Anleihen kaufen, deren Sicherheit die damit getätigte Investition ist.

Daneben soll es klare Schwerpunkte geben. In den "reicheren" Ländern, deren Budgets nicht so stark unter Druck stehen, sollen die Länder zwei bis drei Schwerpunkte definieren und die Mittel dafür abrufen. In Österreich könnte dies etwa neben Energie-Effizienz auch Bildung sein. In manchen Großstädten der EU soll die Armutsbekämpfung im Vordergrund stehen. "Welche Probleme gibt es wo", war aus der Kommission zu hören. "Es geht darum, die EU-Mittel so abgestimmt auszugeben, dass wir möglichst viel aus jedem Euro machen können", bestätigte ein Sprecher von Johannes Hahn. Der österreichische EU-Kommissar ist für diese Strukturfonds zuständig, die mithelfen sollen, das Wohlstandsgefälle in Europa abzubauen.

In Griechenland etwa wurden nun in den 13 Regionen 100 Projekte definiert, um dort die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Beispiel: Ein Problem Griechenlands ist die kurze Tourismus-Saison. In Rhodos hat es zwar auch im Herbst und Winter erträgliche Temperaturen, dafür fehlt es dort aber an Versorgung, etwa der medizinischen. Also wird sie mit EU-Hilfe nun verbessert, um reiche Pensionisten aus dem Norden auch im Winter anzulocken.

Erstmals werden die Fördermittel aber an die fiskalpolitische Disziplin des Landes gebündelt. Wenn es exzessive Defizite geben sollte oder der Schuldenstand steigt, kann die EU Fördermittel sperren. Für das betroffene Land wäre dies eine Katastrophe - Brüssel erhofft sich dadurch eine vorbeugende Disziplin. Dies war auch ein dringender Wunsch Deutschlands.

Zauberwort Binnenmarkt

Daneben will die EU-Kommission den sogenannten Binnenmarkt verbessern. "Hier gab es eine Stagnation. Er wird nicht so benutzt, wie es möglich wäre", sagte EU-Kommissarin Viviane Reding. Allein mit einem grenzüberschreitenden Kaufvertrag (vor allem im Online-Handel) könnten 26 Milliarden Euro gehoben werden. Reding wird diesen Rechtsrahmen nun mittels Verordnung rasch umsetzen. Das sagte auch der EU-Parlamentarier Wolf Klinz von den Liberalen. "Der Binnenmarkt ist in weiten Teilen nicht realisiert. Allein bei Post und Bahn gibt es große nationale Hemmnisse." Auch EU-Kommissionschef Jose Manuel Barroso sprach sich für das Ausschöpfen der Binnenmarkt-Möglichkeiten aus. Zudem solle der internationale Handel insgesamt gestärkt werden. Mit all diesen Maßnahmen will die EU die Wachstumsschwäche überwinden.