Illegale Klauseln in Lieferverträgen? | OMV: "Wir sind transparent und kooperieren voll."
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Wien/Essen/Brüssel. Ermittler der EU-Kommission haben am Mittwoch ihre Durchsuchungen bei mehreren großen Gasversorgern in angeblich zehn Ländern Mittel- und Osteuropas wegen des Verdachtes auf unfairen Wettbewerb fortgesetzt. Es gehe darum, dass die Firmen Mitbewerber beim Zugang zu ihren Erdgasnetzen behinderten oder überteuerte Preise forderten - oder über solche Verstöße Informationen besitzen, hieß es in der offiziellen Mitteilung der Kommission, in der keine Firmennamen genannt wurden. Inoffiziell war in Brüssel zu hören, dass der russische Gasriese Gazprom im Mittelpunkt der Ermittlungen steht: In den Gaslieferverträgen des Moskauer Gas-Exportmonopolisten werden wettbewerbswidrige Klauseln vermutet.
Und während die in Österreich betroffenen Unternehmen OMV und Econgas ebenso wie die deutschen Energieriesen E.ON-Ruhrgas und RWE "vollste Transparenz und Kooperation mit den Behörden" ankündigten und "davon ausgehen, nicht im Fokus der Ermittlungen zu stehen" (OMV-Sprecher Sven Pusswald), kam denn auch aus Moskau am Mittwoch eine offizielle Mitteilung: Russland poche auf die Einhaltung von Rechten und Interessen von russischen Investoren. Diesen Schutz sähen internationale Vereinbarungen über ausländische Geldgeber sowie über Gaslieferungen vor, ließ das russische Energieministerium ausrichten.
Der Staatskonzern Gazprom selbst - er liefert gut ein Drittel des deutschen und fast die Hälfte des gesamten österreichischen Gasbedarfs - reagierte gelassen auf die Durchsuchungen: Man habe nichts zu verbergen, das Unternehmen sei offen für einen Dialog mit der EU-Kommission und werde die Ermittlungen unterstützen, teilte Gazprom Germania in Berlin mit. Dort hatten am Mittwoch erneut Fahnder der EU-Kommission in Begleitung von Mitarbeitern des deutschen Bundeskartellamts Akten gesichtet und Dokumente kopiert.
Die EU-Kommission befürchte, Erdgas-Unternehmen in Europa hätten Märkte aufgeteilt, Preise abgesprochen und Konkurrenten behindert, es gelte jedoch die Unschuldsvermutung, betonte die Behörde - und nannte die Namen der betroffenen Firmen nicht. Es handle sich um Unternehmen in Zentral- und Osteuropa, die in der Versorgung, der Lieferung und Lagerung von Erdgas aktiv seien - im Fokus stünden die Versorgungsmengen.
Falls die EU-Wettbewerbshüter später ein förmliches Kartellverfahren eröffnen sollten, drohen den beteiligten Firmen Bußgelder von bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes. Preis- und Konditionenabsprachen zum Schaden von Verbrauchern und Kunden sind in der EU verboten.
Schon bisher hielt sich Gazprom nur auf massiven Druck an EU-Kartellrecht. Unter anderem zwang die EU-Kommission das russische Unternehmen zur Abänderung eines Liefervertrages mit Polen.
Gasbedarf Europas steigt wieder stärker
Hintergrund des Konfliktes - und letztlich auch der jüngsten Teuerungen für die Endabnehmer - ist eine seit 2010 wieder deutlich veränderte Situation auf dem globalen Erdgasmarkt: Die laut den langfristigen Lieferverträgen an den Ölpreis gekoppelten Erdgaspreise zogen nach einem starken Fall 2008/2009 wieder an. Gleichzeitig dämpfte das globale Überangebot an Erdgas noch den Preis an den Spotmärkten, die Preis-Schere zwischen Langfristverträgen und Spotmengen ging weiter auf, die Kunden wollten billigeres Gas. Gazprom pocht aber auf die langfristigen Verträge, die der Versorgungssicherheit dienen.
Inzwischen liegen die Spotpreise wieder auf dem Niveau von vor der Krise 2008/09, mittelfristig werden sie noch weiter steigen, meinen Experten. Denn der Erdgasbedarf Europas nimmt wieder stärker zu - auch wegen der Energiewende in Deutschland mit stark steigendem Bedarf nach Strom aus Gaskraftwerken.
Die Internationale Energieagentur IEA prognostiziert, dass Erdgas im Jahr 2050 der weltweit wichtigste Energieträger sein wird, Europa - die EU-27 plus Türkei - wird 2035 um ein Viertel mehr Gas brauchen als derzeit, meint OMV-Chef Gerhard Roiss.