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Erst 5000 Zusagen, noch kein Iraker da. | Guantanamo: Niemand wird gedrängt. | Brüssel. Bei der Ansiedelung von Irak-Flüchtlingen und der Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen tritt die EU auf der Stelle. So hatten die Innenminister bereits im November 2008 erklärt, bis zu 10.000 Menschen aus den Flüchtlingslagern an der Grenze zum Irak in Syrien und Jordanien in EU-Ländern aufzunehmen. Bisher gibt es aber lediglich Zusagen für die Aufnahme von knapp 5000 Menschen, die Hälfte davon will Initiator Deutschland unterbringen.
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Von Verzögerungen will der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble dennoch nichts wissen: "Ich weiß überhaupt nicht, warum das auf der Tagesordnung steht", sagte er beim Treffen mit seinen EU-Kollegen gestern, Donnerstag. Es sei völlig eindeutig beschlossen worden, dass es sich um eine freiwillige Beteiligung der Mitgliedsstaaten handle. 10.000 sei darüber hinaus eine Obergrenze und keine Mindestzahl, erklärte er sinngemäß. Berlin sei entschlossen, 2500 irakische Flüchtlinge in Deutschland anzusiedeln. Allerdings würden erst in zwei bis drei Wochen die ersten Iraker erwartet, so lange dauere die Abwicklung mit dem UN-Flüchtlingshochkommissariat. Auch Finnland, Großbritannien und Frankreich hätten bereits Zusagen gemacht, hieß es in Diplomatenkreisen. Dabei werde der Schwerpunkt auf Mütter mit Kindern und Angehörige religiöser Minderheiten gelegt - darunter fallen im Irak vor allem Christen.
Nicht an der Aufnahme von zusätzlichen irakischen Flüchtlingen interessiert ist Österreich, das sich auf die hohe Rate von bereits bisher eintreffenden Asylwerbern aus dem Irak beruft. Innenministerin Maria Fekter, die diesmal nicht am Treffen in Brüssel teilgenommen hatte, machte bereits wiederholt klar, dass dasselbe für Insassen des US-Gefangenenlagers Guantanamo gilt. Die Ankündigung von dessen Auflösung durch den neuen US-Präsidenten Barack Obama war zwar von allen EU-Ländern begrüßt worden. Die Aufnahme von Freigelassenen fällt den Mitgliedsstaaten dagegen weniger leicht.
Neben Österreich haben bereits Tschechien, die Slowakei, Polen und Finnland eine Aufnahme ausgeschlossen. Der tschechische Innenminister und derzeitige EU-Ministerratsvorsitzende Ivan Langer betonte, dass kein Mitgliedsstaat zur Aufnahme gedrängt werden dürfe. Dennoch haben sich bereits zahlreiche Länder grundsätzlich positiv geäußert - darunter Spanien, Portugal, Litauen, Lettland, Estland, Ungarn, Finnland, Frankreich und Irland. Die Vertreter der meisten Länder betonten jedoch, dass jeder einzelne Fall genau geprüft werden müsse.
Schäuble hält die Diskussion um die Guantanamo-Häftlinge schlicht für verfrüht. Es gebe noch keine offizielle Anfrage aus Washington. Darüber hinaus müssten dringend Sicherheitsfragen geklärt werden: Jedem Schengen-Land müsse klar sein, dass die Aufnahme wegen der grenzenlosen Reisefreiheit auch Auswirkungen auf den ganzen Schengen-Raum habe. Diplomaten ergänzten, dass EU-Innenkommissar Jaques Barrot mit Langer und dem EU-Antiterrorkoordinator Gilles de Kerchove nach Washington fahren werde, um die Lage zu klären. Das Schengen-Problem könnte durch ein territoriales Visum entschärft werden, das die Aufenthaltserlaubnis auf ein Land beschränken würde.