Kommission: Notare sind nicht schützenswert. | ÖNK-Präsident Woschnak bleibt zuversichtlich. | Brüssel. Jetzt reicht es der EU-Kommission. Nach Informationen der "Wiener Zeitung" wird sie morgen, Mittwoch, eine Klage gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) bekannt geben. Der Grund: Gegen die Republik läuft bereits seit rund elf Jahren ein Vertragsverletzungsverfahren wegen zu restriktiver und daher EU-rechtswidriger Zugangsregeln zum Notarberuf.
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Die Kernpunkte der Brüsseler Bedenken sind die notwendige österreichische Staatsbürgerschaft, um in Österreich als Notar arbeiten zu dürfen und die mangelnde Umsetzung der Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Diplomen. Ersteres verstoße gegen das im Artikel 43 des EG-Vertrags verbriefte Grundrecht der Niederlassungsfreiheit, findet die EU-Kommission.
Entscheidend ist die öffentliche Gewalt
Wien ist grundlegend anderer Meinung: Tätigkeiten, die ganz oder teilweise mit Tätigkeiten öffentlicher Gewalt verbunden sind, können laut dem Artikel 45 von der Niederlassungsfreiheit ausgenommen werden, beharren die österreichischen Experten. Diese Ausnahme würde auf Notare eindeutig zutreffen. Schließlich werden Urkunden durch die notarielle Beglaubigung zu öffentlichen Dokumenten, und als Gerichtskommissäre führen Notare Verlassenschafts-, Pflegschafts- und Unterhaltsfestlegungsverfahren durch. Sie können auf eigene Verantwortung Wohnungen öffnen, zur Sicherung von Verlassenschaften Wohnungen und Schließfächer behördlich schließen lassen. Für Unterhaltszahlungen dürfen Notare etwa die Freigabe von Geldbeträgen von gesperrten Konten erwirken.
Der EU-Kommission geht diese Kompetenzfülle für eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht weit genug. Die Ausnahmeregelung sei äußerst restriktiv auszulegen und daher zum Schutz der Notare nicht geeignet, findet sie: Da der Notar keine Entscheidung gegen den Willen einer der Parteien, die er berät, durchsetzen könne, übe er auch keine hoheitlichen Befugnisse aus, so die Argumentation aus Brüssel.
Es stünden einander schlicht zwei unterschiedliche Rechtsmeinungen gegenüber, heißt es weiter. Daher sei es an der Zeit, dass der Bereich vom EuGH ausjudiziert werde.
Die Luxemburger Richter müssten jetzt feststellen, ob Notare auch nur teilweise über hoheitliche Befugnisse verfügen, erklärte der Klaus Woschnak, Präsident der Österreichischen Notariatskammer, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Ist das der Fall, dann sei die Regelung der Berufszulassung ein souveränes Recht Österreichs.
Hoffnungsschimmer für Österreich?
Woschnak räumte zwar ein, dass der EuGH bei Einschränkungen von Grundfreiheiten wie der Niederlassungsfreiheit einen sehr strengen Maßstab anlegen würde. Allerdings gäbe es bereits Urteile, in denen notarielle Handlungen als Voraussetzungen für öffentliche Urkunden festgelegt wurden.
In einem anderen Fall wurde sogar spanischen Kapitänen vom EuGH die Teilnahme an hoheitlichen Befugnissen zuerkannt. Er habe den Eindruck, dass die Richter des EuGH sehr genaue Vorstellungen von der "Teilhabe und Ausübung" der öffentlichen Gewalt haben, meinte Woschnak zuversichtlich.
Welche Folgen ein für Österreich abschlägiges Urteil haben könnte, hänge von der genauen Begründung des Luxemburger Gerichts ab und könne nicht vorhergesehen werden: "Ein Notar spekuliert nicht, sondern wendet Recht an", sa gte Woschnak.
Wien steht mit seiner Auslegung des EU-Rechts keineswegs alleine da. Nach Informationen aus Kommissionskreisen müssen Deutschland, Belgien, Frankreich, Griechenland, Luxemburg und Portugal ebenfalls mit einer Klage rechnen. Außerdem würden Österreich eine Klage wegen der mangelnden Umsetzung der Finanzmarkt-Richtlinie Mifid und die Verschärfung des EU-Verfahrens wegen Mindestpreisen für Tabakwaren blühen.