Die Unionsländer unterlaufen bisher Ursula von der Leyens Forderung nach Geschlechterparität in der EU-Kommission.
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Brüssel/Wien. Zur Hälfte besteht die neue EU-Kommission bereits, zumindest wenn es nach den Wünschen der Mitgliedstaaten geht. Jeder von ihnen schlägt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Kandidaten vor. In Österreich wurde am Donnerstag die Personalie Johannes Hahn fixiert. Der seit 2010 amtierende Kommissar möchte in seine dritte Amtszeit gehen. Auf Vorschlag von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein stimmten sowohl Regierung als auch der 25-köpfige Hauptausschuss des Nationalrates einstimmig für Hahn.
Es werde nur sehr wenige Kommissare geben, die wie er einstimmig nach Brüssel entsandt werden. Die österreichische Entscheidung sei im europäischen Vergleich vorbildhaft, freute sich Hahn, dass neben ÖVP und FPÖ auch SPÖ, Neos und Liste Jetzt für ihn gestimmt haben. Die drei Parteien wollten im Vorfeld eine Alternative zu dem 61-Jährigen, eine Frau sollte es sein. Mit ihrem Ja zementieren sie nun den ehemaligen ÖVP-Wissenschaftsminister in Brüssel ein.
Denn Kommissionschefin von der Leyen wird kaum einen Kandidaten ablehnen können, der auf dermaßen starken Rückhalt in seiner Heimat verweisen kann. Fachlich gibt es an Hahn, der derzeit für Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen zuständig ist, ohnehin wenig auszusetzen. Doch verstärkt er die bereits große Herrenriege. Von 14 bis dato nominierten Kommissaren sind inklusive von der Leyen nur fünf Frauen, aber neun Männer. Die CDU-Politikerin wünscht sich jedoch Geschlechterparität in ihrer Behörde.
Sie werde nicht zögern, nochmals auf die Mitgliedstaaten zuzugehen, falls die Parität nicht erreicht sei, sagte die Deutsche im EU-Parlament. "Die Kanzlerin ist grundsätzlich kein Mensch, der sich verschließt", sagt der Sprecher von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein zur "Wiener Zeitung". Sprich, sollte sich von der Leyen auf Kandidatinnensuche begeben müssen und in Wien anklopfen, würde ein Prozedere erarbeitet werden. Was am Ballhausplatz als unwahrscheinlich gilt: "Hahn könnte nicht mit stärkerem Mandat nominiert worden sein", betont Bierleins Sprecher.
Dank Allparteienbeschluss keine Alternative zu Hahn
Eine Personalalternative zu Hahn ist nicht in Sicht. Was weniger am Engagement der Kanzlerin - in ihrem Kabinett besteht Geschlechterparität - als an den Mehrheitsverhältnissen im Nationalrat liegt. "Es gab mehrere Namen. Nur Hahn hatte eine sich abzeichnende Mehrheit", sagt der Sprecher Bierleins.
Von der Leyen wollte die Regierungen in den EU-Staaten bitten, jeweils zwei Kandidaten zu nominieren, eine Frau und einen Mann, damit sie entsprechend auswählen kann. Das zumindest kündigte sie in ihrer Rede vor den EU-Abgeordneten diese Woche an. Das Wiener Kanzleramt hat noch keinen entsprechenden Wunsch erhalten und verweist darauf, dass sämtliche anderen Länder, die bisher Kommissar oder Kommissarin nominiert haben, jeweils nur einen Namen genannt haben.
Will von der Leyen nicht in jenen Staaten nachverhandeln, braucht sie bei den offenen 14 Stellen einen großen Frauenüberhang. Neun Kommissionsposten müssten dann weiblich besetzt werden, nur fünf mit Männern. Von den großen EU-Ländern haben sich Frankreich und Italien noch nicht deklariert. Die bisher nominierten Frauen stammen mit Ausnahme der Kommissionschefin selbst aus Staaten, die keine EU-Schwergewichte sind: Bulgarien, Estland, Finnland und Dänemark.
Dafür ist mit Margrethe Vestager alles andere als ein politisches Leichtgewicht wieder am Start. Die Liberale, die sich als Wettbewerbskommissarin unter anderem mit den US-Technologieriesen aus dem Silicon Valley angelegt hat, wird laut von der Leyen "höchstrangige" Vizepräsidentin der Kommission - gemeinsam mit dem bisherigen Vizekommissionspräsidenten, dem sozialdemokratischen Niederländer Frans Timmermans.
Vestager und Timmermans spiegeln auch den Trend von Regierungen wider, altbewährte Kräfte erneut zu nominieren. Gleich sieben der 14 bisher ausgewählten Kommissare dienten bereits in den vergangenen fünf Jahren in der Brüsseler Behörde. Einen Umbruch bedeutete dagegen der Wechsel von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zu Jean-Claude Juncker 2014: Von 28 Kommissionsmitgliedern blieben nur sechs.
Unter ihnen war auch Hahn. Er wechselte damals von Regional- zu Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen. Mit der einstimmigen Nominierung im Rücken deponierte er am Donnerstag, er möchte weiter außenpolitisch tätig sein. Dort habe Hahn laut Selbsteinschätzung "wichtige Netzwerke" aufgebaut.
Ob von der Leyen nicht nur Ja zu Hahn, sondern auch zu dessen Ressortwunsch sagt, wird sich erst zeigen. Bis September muss die Deutsche ihr Team zusammenstellen, im Oktober werden die Kommissare von den Europaparlamentariern befragt. Die Abgeordneten können nicht einzelne Bewerber ablehnen, sondern nur die gesamte Kommission zurückweisen. Diese Drohung wirkte 2014. Alenka Bratusek war so schwach im Hearing, dass sie ihre Kandidatur zurückziehen musste. Nun setzt Slowenien auf eine arrivierte Kraft in Brüssel: seinen EU-Botschafter, einen Mann.