Reaktion auf Weigerung Warschaus, tägliches Zwangsgeld wegen Braunkohletagbau in Turow zu zahlen.
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Mateusz Morawieckis Zufriedenheit währte nicht lange. Vor wenigen Tagen noch erklärte der polnische Premier "die Sache" für vollständig beendet. Da verkündete er, dass sich Warschau und Prag im Zwist um den Braunkohletagbau Turow geeinigt hatten. Am Dienstag stellte sich aber heraus, dass dies die EU-Kommission nicht daran hindert, EU-Mittel für Polen einzubehalten.
Grund ist, dass das Land frühere EU-Urteile ignoriert hat. Vor einem Jahr hatte Tschechien Polen wegen des Ausbaus im grenznahen Turow vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklagt. Argumentiert hatte es mit Umweltschäden; unter anderem gibt es die Sorge, dass der Grundwasserspiegel sinkt. In einer einstweiligen Anordnung rief der EuGH Polen zu einem Förderstopp auf.
Warschau hielt sich allerdings nicht daran. Denn der Kohleabbau und das benachbarte Kraftwerk sind eine wichtige Energiequelle für das Land. Es würden keine Schritte gesetzt, die die Energiesicherheit gefährden könnten, hieß es daher aus der nationalkonservativen Regierung immer wieder. Weil sich diese nicht an die Anordnung hielt, verurteilte der EuGH im September des Vorjahres Polen zu Strafzahlungen: 500.000 Euro täglich.
Da noch keine Überweisung aus Warschau erfolgt ist, wird nun eine erste Tranche auf anderem Weg eingezogen: Die Kommission kürzt die EU-Haushaltsmittel für Polen zunächst um das fällige Zwangsgeld für einen Monat. Es geht dabei um rund 15 Millionen Euro.
Dass sich die zwei benachbarten Länder in der Zwischenzeit geeinigt haben und Tschechien seine Klage zurückgezogen hatte, ändert nichts an der Haltung der Kommission. Diese erfülle "ihre rechtliche Verpflichtung, von dem Gericht verhängte Strafgelder einzutreiben", begründete ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Der am Dienstag ergangene Bescheid werde demnach zehn Arbeitstage später wirksam.
Nun erwägt Warschau rechtliche Schritte, um gegen das Vorhaben der Kommission Einspruch zu erheben. Die EuGH-Urteile gehen über den Rahmen der EU-Kompetenzen hinaus, sagte Regierungssprecher Piotr Müller der Nachrichtenagentur PAP.
Tauziehen um Justizreformen
Das Argument gebraucht das Kabinett in Warschau auch im Justizstreit mit der EU: Brüssel mische sich in innere Angelegenheiten eines Landes ein. Nichtsdestotrotz schwelt der Zwist um die Rechtsstaatlichkeit in Polen schon seit Jahren.
Und auch er kann für das Land kostspielig werden. Im Tauziehen um Disziplinarverfahren für Richter hatte der EuGH ebenfalls ein tägliches Zwangsgeld verhängt – in Höhe von einer Million Euro. (czar)