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EU-Kommission besorgt wegen ungarischen Mediengesetzes

Von WZ Online

Europaarchiv
Auf der Titelseite der Tageszeitung Nepszabadsag steht in 23 Sprachen: "In Ungarn wurde die Pressefreiheit aufgehoben."
© Screenshot Nepszabadsag

Ungarische Zeitungen protestieren gegen Mediengesetz | Brüssel. Die für Medien zuständige EU-Kommissarin und Vizepräsidentin der EU-Kommission Neelie Kroes hat in einem Schreiben an die ungarischen Regierungsstellen kurz vor Weihnachten "drei Sorgen" bezüglich des neuen Mediengesetzes formuliert. | Stichwort: Die Medienbehörde NMHH


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Diese bezogen sich auf die am 24. Mai 2007 von den EU-Medienministern als Nachfolgeregelung für die TV-Richtline "Fernsehen ohne Grenzen" beschlossene Audiovisuelle Mediendienste-Richtline (AVMD-RL). Kroes äußerte insbesondere Sorgen zu der mit dem ungarischen Mediengesetz geschaffenen nationalen Medienbehörde (NMHH) und ihrer Unabhängigkeit, "einschließlich ihrer Ernennung und Zusammensetzung", wie EU-Kommissionssprecher Olivier Bailly sagte.

Richtlinienumsetzung

Die Richtlinie ist am 19. Dezember 2007 in Kraft getreten und musste innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Am 24. Juni des vergangenen Jahres mahnte die EU-Kommission zwölf EU-Staaten, darunter auch Ungarn, zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie. Seither habe Kroes gegenüber den ungarischen Behörden Zweifel an dem Mediengesetz geäußert. Der Kommissionssprecher verteidigte das späte Einschreiten der EU-Kommission, nachdem Kroes kurz vor Weihnachten in dieser Angelegenheit einen Brief an Ungarn geschickt habe. Die EU-Kommission könne sich nicht zu Gesetzesentwürfen, sondern nur zu verabschiedeten Gesetzen äußern, sagte er.

Die Kommission habe "eine erste Antwort des ungarischen Ministers, in der es heißt, dass in seinen Augen das ungarische Gesetz nicht gegen europäische Gesetze verstößt, und dass er uns so schnell wie möglich eine detailliertere Antwort schicken wird". Darauf warte die EU-Kommission nunmehr.

Verbraucherschutz

Die EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste erweitert den Anwendungsbereich auf entsprechende Online-Abrufdienste im Internet. Sie hob nicht mehr zeitgemäße Beschränkungen für das Digitalfernsehen über das Internet, den Videoabruf und das Mobilfernsehen auf und schuf einen einheitlichen Binnenmarkt für alle audiovisuellen Mediendienste, der Rechtssicherheit für die Unternehmen gewährleistet und den Verbraucherschutz garantiert.

Einen grundsätzlichen Rahmen für die Pressefreiheit gibt die EU-Grundrechtecharta vor. In Artikel 11 der Charta heißt es: "(1) Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben. (2) Die Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet."

Die Vereinbarkeit des ungarischen Mediengesetzes mit der Grundrechtecharta sei von der EU-Kommission noch nicht geprüft worden, betonte der Sprecher. Die EU-Staaten und die Union haben sich außerdem zur Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet, zu der es in Sachen Pressefreiheit eine umfangreiche Rechtsprechung des Straßburger Menschenrechtsgerichtshofs gibt.

Proteste gegen Mediengesetz in Ungarn

Ungarische Zeitungen haben indessen am Montag gegen das Inkrafttreten des umstrittenen Mediengesetzes protestiert. Die linksliberale Tageszeitung "Nepszabadsag" erscheint mit weißem Titelblatt, auf dem in Ungarisch und in 22 weiteren offiziellen Sprachen der EU steht: "In Ungarn wurde die Pressefreiheit aufgehoben." Die linke Zeitung "Nepszava" verkündet auf ihrem Titelblatt in Ungarisch und Englisch: "In einem Land der Europäischen Union gilt die Pressefreiheit als ein Grundwert. Wir müssen in Ungarn unsere demokratischen Rechte verteidigen. Fordern wir die Freiheit der Presse!" Das Inkrafttreten des Mediengesetzes am 1. Jänner 2011 überschattet zugleich den EU-Vorsitz, den Ungarn im kommenden Halbjahr innehat.

"Nepszabadsag" begründete die Kritik damit, dass das Mediengesetz "in Wahrheit den autoritären Bestrebungen der rechtskonservativen Partei Fidesz-MPSZ und der mitregierenden Christdemokraten (KDNP) dient". Das Gesetz biete die Möglichkeit, dass jene, die eine andere Meinung vertreten als die Regierung, "reguliert, bestraft, letztlich ruiniert werden". "Nepszava" wiederum hofft, dass "Europa die "antidemokratischen Schritte" der ungarischen Regierung erkennt und eigene diplomatische Schritte unternimmt.

Medien unter Kontrolle

Das am Samstag in Kraft getretene Mediengesetz stellt alle Fernseh- und Rundfunksender, Printerzeugnisse und Internetportale unter Kontrolle der von der rechts-konservativen Regierungspartei Fidesz-MPSZ kontrollierten Medienbehörde NMHH. Medien drohen Strafen von bis zu umgerechnet 730.000 Euro, wenn sie gegen die nicht eindeutig formulierten Vorschriften des Gesetzes verstoßen. Dabei leitete die Medienbehörde gleich am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes ein Verfahren gegen das Budapester Privat-Radio "Tilos Radio" ein. Der Sender hatte den Song "It's on" des US-Rappers Ice-T gespielt, der angeblich die ungarische Jugend gefährden soll. (APA)LinksNepszavaNepszabadsag