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EU-Kommission klagt gegen Orbáns Bodengesetz

Von WZ-Korrespondentin Kathrin Lauer

Politik
Streitpunkt sind wenig transparente Nießbrauchverträge für landwirtschaftliche Flächen in Ungarn.
© reu/Balogh

Verletzt Rechtssicherheit und Wahrung des Rechts auf Eigentum - 200 Österreicher betroffen.


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Budapest/Brüssel. Ausländische Agrarinvestoren können im Konflikt mit dem ungarischen Bodengesetz wieder Hoffnung schöpfen, denn die EU geht hierzu einen Schritt weiter gegen Ungarn vor. Der Streit kommt vor den EU-Gerichtshof, teilte die Kommission am Donnerstag in Brüssel mit.

Viele Ausländer - darunter etwa 200 Österreicher - hatten nach dem EU-Beitritt Ungarns 2004 in dem Land landwirtschaftliche Flächen langfristig gepachtet, weil der Erwerb verboten worden war. Seit 2014 darf Budapest laut EU-Vorschriften den Landkauf nicht mehr verbieten. 2013 aber schuf Ungarns nationalkonservative Regierung ein Gesetz, durch welches diese "Nießbrauchrechte" gekündigt wurden. Das Thema gehört zu den wichtigsten Gründen der Missstimmung zwischen Ungarn und Österreich und war Anlass zahlreicher vergeblicher diplomatischer Initiativen aus Wien.

Bereits im Oktober 2014 hatte die EU deswegen gegen Ungarn ein Verfahren eingeleitet. Weil Budapest seither keine Abhilfemaßnahmen getroffen habe, folgt nun der Gang vor das Gericht. Sowohl ausländische als auch inländische Investoren hätten ohne jegliche Entschädigung ihre erworbenen Rechte und den Wert ihrer Investitionen verloren, hieß es aus Brüssel. "Für die ursprünglichen Verträge galt ein Übergangszeitraum von 20 Jahren, das heißt, sie wären am 1. Jänner 2033 ausgelaufen. Das neue Gesetz verkürzte diesen Zeitraum auf viereinhalb Monate, was dazu führte, dass die Verträge der Investoren ohne Entschädigung zum 1. Mai 2014 gekündigt wurden", erläuterte die Brüsseler Kommission.

Dies verletze die Prinzipien des freien Kapitalverkehrs, die Niederlassungsfreiheit und widerspreche sogar der EU-Grundrechtecharta, die Rechtssicherheit und Wahrung des Rechts auf Eigentum garantiere. Die Frist von viereinhalb Monaten sei viel zu kurz für die Investoren, um sich an die neuen rechtlichen Bedingungen anzupassen.

Die Problematik hat zwei Seiten. Einerseits haben Ausländer in Ungarn über nicht sehr transparente Nießbrauchverträge bis 2014 mehr als eine Million Hektar landwirtschaftliche Flächen unter ihre Kontrolle gebracht. Der rechtspopulistische Ministerpräsident Viktor Orbán nahm dies zum Anlass für die Gesetzesänderung, die eine Landverteilung an "echte" ungarische Bauern zur Folge haben sollte. Tatsächlich aber begünstigt Budapest dabei laut Medienberichten weniger die Kleinbauern, sondern eher die Klientel der Regierungspartei Fidesz. Als gängige Praxis prangern Bürgerrechtsorganisationen und ungarische Medien Verfahrenstricks an, die den regierungsnahen Eingeweihten zugutekommen. So würden Ausschreibungen nicht oder verspätet publiziert und Eigentümerstrukturen verschleiert. So sei es vorgekommen, dass alteingesessene Bauern bei der Landverteilung leer ausgingen und sogar ihre Höfe aufgeben mussten, während Fidesz-Politiker über Mittelsmänner und Strohfirmen zum Zug kamen.

Orbáns Kanzleichef Nutznießer

Eine der wichtigsten Figuren ist dabei nach Recherchen des Magazins "HVG" Orbáns Kanzleichef Janos Lázár. Er soll über einen Cousin seiner Mutter im Raum Hodmezövásárhely bei Szeged einen Landwirtschaftsbetrieb kontrollieren, Lázár soll dabei etwa 1300 Hektar Land aus Staatsbesitz zugeschanzt worden sein.