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Klage beim EuGH ist finaler Schritt im Vertragsverletzungsverfahren. Indexierung "verstößt gegen die geltenden Vorschriften".
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Die EU-Kommission setzt den nächsten und finalen Schritt im mehrstufigen Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich zur Indexierung der Familienbeihilfe. Am Donnerstag beschloss die Kommission, die Republik beim Europäischen Gerichtshof zu klagen. Dort liegt bereits seit einem Monat ein Antrag des Bundesfinanzgerichts in Wien, der den EuGH um Vorabentscheidung in der Causa gebeten hat.
Bei der EU-rechtlich heiklen Angelegenheit geht es um die Frage, ob eine Indexierung der Familienleistung für im EU-Ausland lebende Kinder an das dortige Einkommensniveau angepasst werden darf. Da es vor allem um Familien aus Ost- und Südosteuropa geht, bedeutet die Indexierung in den meisten Fällen eine Kürzung der Beihilfe. Die (türkis-blaue) Regierung wollte 114 Millionen Euro pro Jahr dadurch einsparen, im ersten Jahr wurden jedoch nur 62 Millionen Euro weniger ausgegeben, wie einer parlamentarischen Anfragebeantwortung im Februar zu entnehmen war.
Noch viele Monate bis zur Entscheidung
Einige Arbeitnehmerinnen hatten dagegen geklagt, das Bundesfinanzgericht bat deshalb am 16. April den EuGH um Vorabentscheidung. Diese Verfahren dauern in der Regel etwas kürzer als Vertragsverletzungsverfahren. Es ist daher wahrscheinlich, dass sich die Frage um EU-Rechtskonformität der Indexierung über diese Vorabentscheidung klärt, noch bevor der EuGH in Sachen Vertragsverletzungsverfahren eine finale Entscheidung trifft.
Österreich beharrt auf der umstrittenen Anpassung der Familienbeihilfe und beruft sich dabei vor allem auf ein Gutachten des Sozialrechtlers Wolfgang Mazal von der Uni Wien. Hauptargument der Republik ist, dass die Familienbeihilfe in Österreich keine Versicherungsleistung darstelle. Daher sei eine Indexierung zulässig.
Die EU-Kommission sieht dies anders und hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. "Der Mechanismus verstößt gegen die geltenden Vorschriften zur Koordinierung der sozialen Sicherheit und ist diskriminierend, da einige mobile EU-Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in Österreich in vollem Umfang zu Wirtschaft, Erwerbstätigkeit und Sozialversicherung beitragen, niedrigere Leistungen erhalten als solche, deren Kinder in Österreich leben", heißt es in der Aussendung der Kommission. "Die Indexierung gilt nicht für österreichische Staatsangehörige, die im Ausland für eine österreichische Behörde arbeiten und deren Kinder mit ihnen dort leben – obwohl ihre Situation vergleichbar ist." Der briefliche Austausch, wie er in diesen formalen Verfahren vorgesehen ist, dürfte die Kommission nicht überzeugt haben, weshalb nun der EuGH damit konfrontiert wird.
Was ist gerecht?
Laut einem Sprecher des EuGH dauern diese Verfahren durchschnittlich etwa 18 Monate. Etwas schneller geht es bei den Vorabentscheidungen, die nationale Gerichte beantragen mit rund 15 Monaten. Daher ist anzunehmen, dass sich die Frage über diesen Weg klärt. Sollte das EuGH erkennen, dass die Kürzung nicht EU-rechtskonform wäre, müsste sich das Bundesfinanzgericht in Wien daran halten. Die Klägerinnen hätten Anspruch auf die volle Leistung. Dann wäre die Indexierung auch gesetzlich kaum aufrechtzuerhalten.
Bei ÖVP und SPÖ war man sich am Donnerstag uneins, was gerecht und was ungerecht ist. "Für uns bleibt es aufgrund der unterschiedlichen Lebenserhaltungskosten in der EU weiterhin eine Frage der Gerechtigkeit", sagte Arbeitsministerin Christine Aschauer von der ÖVP, die das laufende Verfahren aber nicht weiter kommentieren wollte. Die SPÖ-Europaabgeordneten Andreas Schieder und Evelyn Regner sahen dagegen in der Entscheidung der EU-Kommission "ein wichtiges Signal für mehr Gerechtigkeit". Statt Menschen "anständig zu bezahlen", würden diese staatlich organisiert extra eingeflogen oder mit Sonderzügen ins Land gebracht, hieß es in einer Aussendung der beiden mit Verweis auf osteuropäische Pflegekräfte. (sir)