Zweifel an Rechtmäßigkeit von Abschiebungen. | Brüssel. Die EU will die Massenabschiebungen von Roma aus Frankreich nicht einfach so hinnehmen. Öffentlich hält sich die Kommission zwar mit Kritik am französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zurück. Ein interner Bericht von Justizkommissarin Viviane Reding spricht jedoch eine deutliche Sprache.
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Es gebe Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisungen, heißt es dort. Gemäß dem EU-Grundrecht der Personenfreizügigkeit dürften EU-Bürger nur dann eines Landes verwiesen werden, wenn jeder Einzelfall genau geprüft werde und auf dem "persönlichen Verhalten der betreffenden Person" beruhe. Keinesfalls dürfe die Nationalität, die Rasse, die Hautfarbe, der ethnische oder soziale Ursprung die Grundlage sein. Zudem müsse die öffentliche Ordnung oder Sicherheit des Gastlandes bedroht sein.
Von der französischen Regierung werden nun detaillierte Informationen über jede einzelne Überprüfung angefordert. Reding will auch wissen, wie "freiwillig" die Ausreisen wirklich erfolgt sind. Zwar haben die Roma vor ihrer Abreise nach Rumänien und Bulgarien eine "Rückkehrhilfe" in Höhe von 300 Euro pro Erwachsenem und 100 Euro pro Kind erhalten.
1000 Roma verwiesen
Doch allein, dass ein Pauschalbetrag an EU-Bürger im Fall ihrer Rückkehr gezahlt wird, reiche nicht aus, um das Grundrecht der Freizügigkeit zu umgehen. Redings Beamte betonen, dass es sich um eine "vorläufige Analyse" des Problems handle.
Frankreich hat allein seit Juli etwa 1000 Roma per Schnellverfahren des Landes verwiesen und argumentiert ebenfalls mit EU-Recht: Laut Personenfreizügigkeitsrichtlinie dürften sich Bürger eines EU-Landes nur dann länger als drei Monate in einem anderen Mitgliedsstaat aufhalten, wenn sie über einen Arbeitsplatz und eine Krankenversicherung verfügten. Das sei bei den Betroffenen nicht der Fall gewesen.
Wenig Verständnis für das Schweigen der Kommission und vor allem ihres Präsidenten Jose Manuel Barroso in der Frage haben indes die Sozialdemokraten im EU-Parlament. Hier werde eine ganze Bevölkerungsgruppe von acht bis zwölf Millionen Menschen stigmatisiert, kritisierte Fraktionsvize Hannes Swoboda. Fraktionschef Martin Schulz plädierte für ein EU-Strafverfahren gegen Frankreich.