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EU-Kommission mit Türkei nicht zufrieden

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Korruption am Westbalkan weit verbreitet. | Brüssel. Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind trotz mancher Reformfortschritte von groben Problemen überschattet, die noch heuer eskalieren könnten. Kroatien hat trotz der Deblockade im Grenzstreit mit Slowenien noch alle Hände voll zu tun, um in absehbarer Zeit zur EU beitreten zu können. Immerhin kommen die Verhandlungen in eine "finale Phase".


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Allgemein befindet die EU-Kommission, dass Korruption sowohl am Westbalkan als auch in der Türkei "weit verbreitet" ist und "das Alltagleben der Bürger sowie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinträchtigt." Im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität fordert Brüssel von allen derzeitigen und potentiellen Kandidatenländern "erhebliche Anstrengungen". Das sind Kernaussagen der heurigen Kommissionsberichte über die Fortschritte bei der Erweiterung, die nächsten Mittwoch präsentiert werden sollen. Ein interner Entwurf des zentralen Dokuments "Strategiepapier 2009" liegt der "Wiener Zeitung" bereits vor.

Der Türkei werden darin durchaus einige Rosen gestreut: Freie und faire Kommunalwahlen habe es gegeben. Erstmals wurde ein Gesetz verabschiedet, dass zivilen Gerichten zumindest in Friedenszeiten Verfahren gegen Militärpersonal erlaubt. Der öffentliche Rundfunk hat einen Kanal aufgemacht, auf dem er ausschließlich in kurdischer Sprache sendet. Positiv erwähnt werden auch die Bemühungen um die Normalisierung der Beziehungen zu Armenien, diplomatische Vermittlungen im Kaukasus und Nahen Osten sowie besonders die Unterzeichnung des Vertrags für die Nabucco-Pipeline durch die Türkei.

Warnschuss wegenGrundrechten

Die Kritikpunkte bleiben freilich die bekannten: Der Zustand der Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit, der Frauenrechte und der zivilen Aufsicht des Militärs bereite "Sorge". "Gegen die Straffreiheit von jenen, die in Folter und grobe Misshandlungen verwickelt sind, gibt es noch viel zu tun", schreiben die EU-Beamten. Die Lage im Südosten, dem Kurdengebiet, müsse sich endlich bessern.

Wirklich haarig könnte aber werden, dass es "keine Fortschritte zu einer Normalisierung der Beziehungen mit Zypern" gegeben habe. Weiterhin blockiert Ankara seine Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Jets.

Kroatiens Gesprächein "finaler Phase"

Acht zentrale Bereiche der vor vier Jahren gestarteten Beitrittsverhandlungen mit der Türkei liegen deshalb seit knapp drei Jahren auf Eis. Diesen Dezember sollen die Zypern-Beziehungen noch einmal gesondert bewertet und ohne Fortschritte möglicherweise neuerlich Konsequenzen gezogen werden.

Viel weiter ist da freilich Kroatien, das die Beitrittsverhandlungen gleichzeitig mit der Türkei begonnen hat. Mit dem unverbindlichen Fahrplan zu einem Verhandlungsabschluss bis Ende 2009, den die EU-Kommission vor einem Jahr vorgelegt hatte, wurde auch wegen der slowenischen Blockade der Verhandlungen zwar nichts. Nach einer Einigung auf eine Schlichtung des Grenzstreits konnten Ende September jedoch zahlreiche Verhandlungsbereiche abgeschlossen werden, die zuvor fertig verhandelt waren. Die Reformbemühungen in Richtung unabhängige Gerichte und Minderheitenschutz müsse aber intensiviert werden. Montenegro, Albanien und Island haben in den vergangenen zehn Monaten übrigens einen Beitrittsantrag zur EU gestellt.