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Washington will Nachbesserungen. | Ohne Vertrag droht "völliges Chaos". | Debatte zwischen Datenschutz und Sicherheit. | Brüssel. Der Zeitdruck für ein neues Abkommen zum Austausch von Passagierdaten mit den USA wächst. Justiz- und Innenkommissar Franco Frattini ist am Freitag zu den ersten offiziellen Verhandlungen mit Vertretern des US-Heimatschutzministeriums zusammengetroffen. Die wollen offenbar weiter reichende inhaltliche Änderungen der Vereinbarung erreichen, hieß es in Diplomatenkreisen. Und das war so nicht vorgesehen.
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Denn der Europäische Gerichtshof hat zwar den derzeitigen Vertrag per 1. Oktober 2006 für ungültig erklärt. Allerdings kritisierten die Luxemburger Richter ausschließlich die EU-Binnenmarktgesetze als Rechtsgrundlage und nicht den Inhalt des Abkommens. Und darüber, dass Teile aus dem EU-Vertrag zur "polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit" die passende Basis seien, herrsche unter den Mitgliedsstaaten Konsens.
Inhaltliche Zugeständnisse an die USA würden Frattinis Verhandlungsmandat jedoch sprengen. Um ein neues zu schaffen, fehle die Zeit. Die US-Verhandler unterschätzten anscheinend die Schwerfälligkeit der EU-Entscheidungsprozesse, hieß es. Schon der bisherigen Regelung waren harte und lange Verhandlungen unter den Mitgliedsländern vorangegangen. Bis zu 34 Datensätze von Flugpassagieren über den Atlantik werden an die US-Behörden übermittelt. Name, Adresse, Reiseroute, Sitznummer, Anzahl der Gepäckstücke, das Reisebüro und Zahlungsdetails gehören dazu.
Sollte eine Einigung darauf mit den Amerikanern bis Ende des Monats nicht gelingen, drohe "völliges Chaos". Jeder Mitgliedsstaat, jede Fluglinie müsste ein eigenes Abkommen mit den US-Behörden verhandeln. Die Weitergabe von persönlichen Daten wäre kaum mehr zu kontrollieren. Fluglinien, die Daten übermittelten, könnten rasch mit den EU-Datenschutzbestimmungen in Konflikt kommen.
Flüssigkeiten an Bord
Gelingt die Einigung rechtzeitig, sind weitere Auseinandersetzungen schon vorprogrammiert. Denn Ende November 2007 läuft der Vertrag sowieso aus. Bei Neuverhandlungen werden die alten Fronten zwischen Datenschutz und Sicherheit im Anti-Terror-Kampf erneut aufbrechen.
Die USA tendieren seit dem 11. September 2001 zu zweiterem. Kurz nach den verhinderten Anschlägen von London haben sie Flüssigkeiten an Bord von Flugzeugen verboten. Dahingehende Verhandlungen des EU-Flugsicherheitskomitees dürften sich dagegen noch ziehen. Es müsse entschieden werden, ob Flüssigkeiten im Handgepäck vollkommen verboten werden, oder die bisher gängige Praxis beibehalten werden soll, sagte ein Komiteemitglied zur "Wiener Zeitung".
Denn Zwischenlösungen seien äußerst schwierig - etwa die Festlegung von Mindestmengen: Mehrere Attentäter, die jeweils unter der Grenze blieben, könnten gemeinsam die für eine Bombe benötigte Menge an Bord des Flugzeugs schmuggeln. So können aus einfachen Substanzen explosive Mischungen hergestellt werden. Der dazu etwa geeignete Bestandteil Wasserstoffperoxyd sei eine schlichte durchsichtige Flüssigkeit. Mit den weiters benötigten Zutaten Zucker, Batterien und dem Blitzgerät eines Fotoapparats als Auslöser könne man ohne weiteres durch die Sicherheitskontrollen.
Weniger Handgepäck?
Das Komitee müsse "zwischen höherer Sicherheit und der Annehmlichkeit für den Fluggast" entscheiden. Die Briten haben alle Flüssigkeiten außer Medikamenten und Babynahrung an Bord verboten. Von der Ausweitung dieser Praxis auf die gesamte EU konnten sie die Vertreter der anderen EU-Staaten bisher aber nicht überzeugen. Eine "sehr ernsthafte Variante" sei dagegen eine deutliche Beschränkung des Handgepäcks, findet der Fachmann. Eine grundsätzliche Handdurchsuchung des Gepäcks sei aber sehr schwierig. Dafür wären "viel Platz, viel Zeit und viel Personal" nötig. Bei manchen Flughäfen müssten die Kontrollpunkte vollkommen umgebaut werden.
Lösungsansätze gebe es aber für die Rettung der Duty-Free-Umsätze, die laut EU-Kommission rund ein Drittel der Flughafenumsätze ausmachen. So könnten Getränke und Parfums aus den Zollfreiläden in Plastikfolie verschweißt und so mit an Bord genommen werden.