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EU-Kommission will Bürokratie abbauen

Von WZ Online

Europaarchiv

Die Verwaltung tendiert dazu, sich auf die Rechtfertigung des eigenen Tuns zu konzentrieren. Aus dieser Erkenntnis heraus hat die EU-Kommission einen Drei-Jahres-Plan zur Vereinfachung des seit 1957 auf rund 80.000 Seiten angewachsenen EU-Rechts entwickelt. "Mit dieser Initiative wird das Regelwerk der EU drastisch vereinfacht", betonte Industriekommissar Günter Verheugen bei der Präsentation im EU-Parlament.


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"Wir wollen das Vertrauen unserer Bürger zurückgewinnen", sagte Verheugen in Straßburg. Die EU werde immer wieder als bürokratisches Monster gesehen, das seine Arme auch noch ins letzte Dorf ausstrecke. "Auch wenn das nicht stimmt, darf niemand die Kraft einer solchen Wahrnehmung unterschätzen. Mit unserer Initiative für eine bessere Regulierung zeigen wir, dass wir nicht nur zuhören, sondern auch etwas tun."

Konkret schlägt die EU-Kommission vor, in den nächsten drei Jahren 222 grundlegende Rechtsvorschriften bzw. insgesamt 1.400 Rechtsakte aus dem so genannten "gemeinsamen Besitzstand", aufzuheben, zu kodifizieren oder in eine neue Form zu gießen.

Zunächst will sich die Brüsseler Behörde die am stärksten regulierten Bereiche vornehmen, darunter die Vorschriften für Autos, Abfallwirtschaft und Baugewerbe vornehmen. Dann sollen Regulierungen zu Lebensmitteln, Kosmetika, Arzneimitteln oder Dienstleistungen folgen. Auch Klein- und Mittelunternehmen hat die EU-Kommission bedacht: Sie sollen von der Vereinfachung statistischer Formulare profitieren ebenso wie von der Anpassung des Zollkodex an das Internet-Zeitalter.

Der Erarbeitung dieses Pakets war eine entsprechende Sondierung in den Mitgliedstaaten vorangegangen, auf deren Beiträgen das heute vorgelegte Programm auch basiere. Befragungen im Internet haben laut EU-Kommission allerdings gezeigt, dass sich ein Großteil der Kommentare auf bürokratische Auswüchse in den Mitgliedstaaten beziehe und nicht auf EU-Regelungen. Daher müssten diese in die Entbürokratisierungs-Aktion einbezogen werden.

Aufheben will die EU-Kommission etwa Vorschriften, die irrelevant oder veraltet sind. Ein Beispiel dafür ist die aus 1968 stammende Richtlinie für die Qualitätsbestimmung von Holz nach der "Astigkeit". Die Qualitätseinschätzung soll den Standardisierungs-Organisationen überlassen bleiben. Überflüssig sind nach Einschätzung der EU-Kommission mittlerweile auch die Hälfte der 56 Richtlinien zur Typengenehmigung von Fahrzeugteilen wie Benzintanks, Blinker oder Innenbeleuchtung, da für diese sowieso bereits UN-Wirtschaftsvorschriften gelten.

Vereinfachen durch Kodifizierung - also die Zusammenfassung von Regelungen zum gleichen Thema - will die EU-Kommission unter anderem im Bereich Kosmetik erzielen. Wegen neu auf den Markt kommenden Substanzen müsse die entsprechende Richtlinie bis zu zweimal jährlich geändert werden. Mittlerweile gibt es 37 solcher Novellen, die nun in einer neuen Richtlinie zusammengefasst werden sollen. Ähnliche Probleme hat die Brüsseler Behörde auch bei den Vorschriften für den Transport gefährlicher Güter entdeckt.

Verheugen betonte, die Kommission wolle nicht die Ziele der Politik ändern, sondern nur die Regelungen dafür vereinfachen. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen litten unter zu vielen bürokratischen Hürden.

Schön langsam

Bei Recherchen für diesen Beitrag stieß die Online-Redaktion übrigens auf eine neue bürokratische Schranke. Der multimediale Informationsdienst, der bislang offen zugänglich war, verlangt nun eine Kennung und ein Passwort. Beides war in den Stunden vor der Verheugen-Rede nicht zu erlangen.