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EU-Korruption: Hoher Beamter tappt in Falle

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Direktor plaudert Geheimnisse aus. | Beobachter schließen Intrige nicht aus. +++ Bestechungsgelder nicht abgelehnt. | Brüssel. Fritz-Harald Wenig hatte sich scheinbar nichts Böses gedacht, als ihn Vertreter einer chinesischen Handelsfirma in die gediegensten und teuersten Restaurants Brüssels zum Abendessen einluden.


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Der einflussreiche Direktor ist in der EU-Kommission für den Schutz des Binnenmarktes vor unlauteren Wettbewerbern aus Fernost zuständig. Während des Verzehrs von "Trüffeln groß wie Äpfel" soll er dann brisante Interna der Brüsseler Behörde ausgeplaudert und hohe finanzielle Zuwendungen zumindest nicht abgelehnt haben. Die vermeintlichen Gesandten des chinesischen Importeurs waren in Wahrheit Journalisten der "Sunday Times" und haben alles aufgenommen. Die Kommission und die EU-Antikorruptionsbehörde Olaf haben Ermittlungen eingeleitet und warten auf die Videobänder. Bis auf weiteres gelte die Unschuldsvermutung, betonte Kommissionssprecher Johannes Laitenberger.

Doch die Informationen, die Wenig den falschen Lobbyisten weitergegeben haben dürfte, waren potenziell Millionen wert. Er machte chinesische Firmen namhaft, die demnächst Handelserleichterungen für EU-Importe erhalten und daher deutlich weniger Zölle zahlen müssten. Das sind wertvolle Insiderinformationen, die lukrative Geschäfte ermöglichen.

Ambivalentes Verhalten

Konkrete finanzielle Angebote für seine Kooperation nahm Wenig zwar nicht an, wies sie aber auch nicht eindeutig zurück. Denn abgesehen von der Begleichung der Restaurantrechnung über rund 1500 Euro boten ihm die falschen Geschäftsleute angeblich 100.000 Euro Sofortprämie und 600.000 Euro pro Jahr für weitere Dienste. Wenig habe zwar eingeräumt, dass hier etwas gegen seine Dienstvorschriften verstoße, räumte die "Times" ein. Laut nachgedacht habe der 62-Jährige immerhin über ein Sperrkonto, auf das er erst nach seiner Pensionierung zugreifen könne.

In einer ersten Reaktion auf die Anschuldigungen gab er sich dann empört: "Gestapo-, KGB- und Stasimethoden" seien das, sagte er. Er habe nur darüber geredet, was er nach seinem Ausscheiden aus der Kommission eventuell für die Geschäftsleute hätte tun können.

Einen seltsamen Beigeschmack bekommt die Geschichte, weil Wenig als einem der ranghöchsten deutschen EU-Beamten ein sehr gespanntes Verhältnis zu seinem Chef, Handelskommissar Peter Mandelson, nachgesagt wird. Nicht ausschließen möchten manche auch eine Intrige gegen den bisher einflussreichen Direktor, die in die Falle der Journalisten mündete.

Wenig ist inzwischen auf Urlaub und nicht mehr erreichbar. Wie lange er Auszeit nimmt, ist noch unklar - "vielleicht für immer", hieß es. Schon wegen der Weitergabe vertraulicher und sensibler Informationen käme er massiv mit dem EU-Dienstrecht in Konflikt. Ihm könnte unter Umständen die fristlose Entlassung drohen.