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EU-Kriegsschiffe gegen Piraten

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Politik

Mindestens sechs Mitgliedsländer machen mit. | Piraterie vor Somalia gerät zunehmend außer Kontrolle. | Brüssel/Deauville. Im 16. Jahrhundert galt die Karibik als Spielwiese der Freibeuter, manche von ihnen mit Kaperbriefen europäischer Königshäuser im Gepäck. Jetzt macht die EU gegen die Nachfahren der damaligen Banditen mobil. Denn somalische Piraten gefährden am Horn von Afrika zunehmend den Welthandel, erbeuten immer heiklere Fracht und finanzieren mit dem Lösegeld der Schiffentführungen ihre Aufrüstung mit immer moderneren Waffen.


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Mindestens sechs EU-Länder wollen sich jetzt an der Entsendung von europäischen Kriegsschiffen in den Golf von Aden zwischen Somalia und dem Jemen beteiligen. Deutschland, Spanien, Schweden, Portugal, Frankreich, die Niederlande und eventuell Großbritannien erklärten beim Treffen der EU-Verteidigungsminister im französischen Badeort Deauville ihre Unterstützung. Der Grundstein der EU-Mission wurde bereits im September mit der Etablierung eines Koordinationsbüros in Brüssel gelegt. Bis Ende des Jahres will das Vorsitzland Frankreich die Mission einsatzbereit haben. Französische und spanische Kriegsschiffe kreuzen bereits an Ort und Stelle.

Denn eigentlich dürfen Piraten in somalischen Gewässern bereits per UNO-Resolution gejagt werden, weil die völlig machtlose Übergangsregierung nach dem 17-jährigen Bürgerkrieg über keinerlei eigene Seestreitkräfte oder Küstenwache verfügt. Auch Schiffe aus den USA und aus Russland sind schon dort. Vor allem Deutschland hatte aber grundrechtliche Probleme bei der Umsetzung, weil die deutsche Marine in Not geratenen Schiffen zwar zur Hilfe eilen darf. Das hat die eigentlich im Anti-Terror-Einsatz in der Gegend kreuzende Fregatte "Emden" auch bereits mehrfach getan. Die Piraten verfolgen oder festnehmen wäre jedoch Sache der Polizei. Unter dem Dach einer EU-Mission sollen diese Kompetenzprobleme jetzt ausgeräumt werden.

30 Mio. Dollar Lösegeld

Denn die Piraten zeigen sich bisher wenig beeindruckt: Bereits mindestens 60 Schiffsentführungen zählte das International Piracy Reporting Center in Kuala Lumpur heuer bereits vor den Küsten Somalias. Die Dunkelziffer der Attacken beträgt ein Vielfaches. Dabei konnten die somalischen Piraten bereits 30 Millionen Dollar ( 21,3 Millionen Euro) Lösegeld erpressen, heißt es in einem neuen Bericht des britischen Think Tanks Catham House. 500.000 bis zwei Millionen pro Schiff seien so der Durchschnitt.

Einen besonders dicken Fang machten die Piraten erst vor einer Woche mit dem ukrainischen Frachter "Fania", der 33 russische Panzer mit ausreichend Munition geladen hatte. Die Piraten wollen ob ihrer riskanten Fracht alleine 20 Millionen Dollar (14,2 Millionen Euro) Lösegeld. Ein US-Zerstörer passt während den Verhandlungen auf, dass die Waffen nicht entladen werden. Einen schönen Einblick in das Selbstverständnis der Piraten bot ein Telefoninterview der "New York Times" mit dem Sprecher der Entführer auf der "Fania". Es handle sich wohl um ein Missverständnis, meinte Sugule Ali: "Piraten seien jene, die illegal in somalischen Gewässern fischten oder Waffen transportierten. Sehen sie uns wie eine Küstenwache."