Erstmals seit 30 Jahren wird kein Sozialdemokrat Staatsoberhaupt.
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Helsinki. Diesen Monat nutzte Finnlands Präsidentin noch rasch zu Besuchen bei den Großen dieser Welt, zuerst in den USA, dann beim mächtigen Nachbarn Russland. Es waren Abschiedsbesuche. Denn nach 12 Jahren im Amt darf Tarja Halonen kein drittes Mal antreten. Am Sonntag wird ihr Nachfolger gewählt. Und eines ist jetzt schon klar: Er wird der erste Präsident seit 30 Jahren sein, der nicht der Sozialdemokratie angehört. Deren Kandidat gilt als chancenlos.
Der Favorit ist Halonen vor sechs Jahren noch unterlegen: Sauli Niinistö von der konservativen Nationalen Sammlungspartei, der zuletzt das Amt des Parlamentspräsidenten innehatte. Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als würde er gleich im ersten Wahlgang genug Stimmen erhalten, aber mittlerweile sehen ihn die Umfragen bei unter 40 Prozent. In einem zweiten Wahlgang, der zwei Wochen später erfolgt, würde er den Prognosen zufolge auf einen von zwei Kandidaten treffen, die gleichauf bei 17 Prozent liegen, Paavo Väyrynen von der Zentrumspartei oder den Grünen Pekka Haavisto. Der sozialdemokratische Bewerber, Ex-Ministerpräsident Paavo Lipponen, liegt hingegen abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Sein Handicap ist das Alter von 70 Jahren und der Umstand, dass er sich schon längere Zeit aus der aktuellen Politik verabschiedet hat.
"Wahrer Finne" trifft auf Konkurrenz
An sich hat der Präsident wenig in der Politik mitzureden, seine Befugnisse wurden Ende des vergangenen Jahres sogar noch weiter beschnitten. Nur in der Außenpolitik hat er ein bescheidenes Mitbestimmungsrecht. Fast alle acht Kandidaten, von den finnischen Medien gern als "Glorreiche Acht" bezeichnet, haben allerdings angekündigt, im Wesentlichen der von der Regierung vorgegebenen Außenpolitik folgen zu wollen. Die derzeit regierende Koalition setzt sich aus sechs höchst heterogenen Parteien unter Führung der Konservativen zusammen. Geeint werden sie durch den Willen, die "Wahren Finnen" von den Regierungsgeschäften fernzuhalten, weil diese den Rettungsschirmen für EU-Mitgliedsstaaten nicht zustimmen wollten.
Der Chef dieser rechtspopulistischen Partei, Timo Soini, tritt gleichfalls bei den Präsidentschaftswahlen an. Überraschenderweise sehen die Umfragen aber nur eine Zustimmung von knapp neun Prozent für ihn, was weit hinter den 19 Prozent liegen würde, die die "Wahren Finnen" bei den Parlamentswahlen im April 2011 knapp geschlagen auf den dritten Platz brachten.
Das europaskeptische Lager ist trotzdem gut vertreten. Der 65-jährige Väyrynen von der Zentrumspartei, der auf 40 Jahre Erfahrung als Abgeordneter und Minister verweisen kann, gilt gleichfalls als scharfer EU- und Euro-Kritiker. Er plädierte entgegen der Parteilinie schon 1994 vehement gegen einen EU-Beitritt Finnlands, wurde dann später aber dennoch Abgeordneter im Europäischen Parlament.
Weniger polarisierend ist sein Konkurrent um den zweiten Platz, Pekka Haavisto. Im Wahlkampf hat er weitgehend darauf verzichtet, grüne Themen anzusprechen, obwohl seine Partei ohnehin eher gemäßigte Positionen vertritt und auch Atomkraft akzeptiert. Stattdessen präsentiert sich der 53-Jährige, der von 1995 bis 1999 schon Umweltminister war, als sachorientiert und fachkundig. Er lebt in eingetragener Partnerschaft mit dem Südamerikaner Antonio Flores zusammen.
EU-Kritiker wie auch Befürworter kann Niinistö hinter sich vereinen. Der frühere Finanzminister und Ex-Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank tritt vehement für den Euro ein, kritisiert aber gleichzeitig die Schuldenbelastung in vielen EU-Staaten. Das könnte ihm beim Wahlvolk ebenso zugute kommen wie die Bekanntheit, die er durch ihm widerfahrene private Schicksalsschläge erlangt hat. 1995 verlor er seine erste Frau durch einen Autounfall, 2004 entkam er zusammen mit seinen beiden Söhnen in Thailand nur knapp dem Tsunami.