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Erdrutschsieg für Hollands Wilders erwartet, Platz eins für Le Pen möglich.
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Brüssel. Beflügelt von der Wirtschaftskrise, sind in nahezu allen europäischen Ländern rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch. Nun verdichten sich die Hinweise, dass sich viele von ihnen im Europäischen Parlament zusammenschließen und eine neue Fraktion gründen wollen. Die könnte bei den Europawahlen im Mai 2014 zu einer der stärksten Kräfte in Europa werden.
Als Triebfeder dieser Vereinigungsgelüste wird allgemein der Niederländer Geert Wilders gesehen. Bereits seit geraumer Zeit befindet sich der Chef der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (Partei für die Freiheit), auf Werbetour durch Europa. Er traf die Vorsitzende der französischen Front National, Marine Le Pen, Vertreter von der dänischen Volkspartei, die Schwedendemokraten, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und ebenso Vaclav Klaus, den äußerst europakritischen tschechischen Ex-Präsidenten und Gründer der Partei ODS - die er allerdings verlassen hat. Auch der österreichische EU-Abgeordnete von der FPÖ Andreas Mölzer arbeitet seit langem an dem Zusammenschluss. Am Montag schließlich hat Strache bestätigt, dass er eine gemeinsame Fraktion mit anderen Rechtsparteien anstrebt.
"Die patriotischen Freiheitsparteien liegen in vielen Umfragen für die EU-Wahlen an erster Stelle", sagte Strache. In der Tat sind die Rechtsparteien quer durch Europa im Aufschwung: In den Niederlanden wird ein Erdrutschsieg von Wilders erwartet, in Frankreich könnte die Front National sogar mit 24 Prozent der Stimmen auf Platz eins landen, die FPÖ hat sich selbst das Ziel 20 Prozent gesetzt. Weitere potenzielle Partner in der neuen Fraktion sind der belgische Vlaams Belang, die Schwedendemokraten, die italienische Lega Nord, die Alternative für Deutschland, Griechenlands Goldene Morgenröte oder auch Jobbik aus Ungarn.
Diese Parteien sind in ihrem Auftreten sehr divers. Das reicht von jenen mit faschistischer Anlehnung wie Jobbik und der Goldenen Morgenröte bis hin zu der akademisch geprägten Alternative für Deutschland. Doch meist decken sie weite Teile eines allgemeinen Spektrums ab: Angst vor Asylmissbrauch, Kapitalismuskritik und Islamkritik. Wegen Letzterer ist übrigens die starke nationalistische und europakritische Partei aus Großbritannien UKIP nicht dabei. Einig sind sich aber die potenziellen Verbündeten in ihrer Europakritik.
Rekrutierung könnte auch bei Volksparteien erfolgen
Weitere Gruppierungen könnten dazukommen, denn im Lichte zunehmend nationalistischer Tendenzen lassen sich unter den Europäischen Volksparteien (EVP) Spaltungstendenzen erahnen. Ein gefundenes Fressen für die neue Konkurrenz: "Ich könnte mir vorstellen, dass es ihnen gelingt, auch Mitglieder der EVP abzuwerben", sagte der niederländische Politologe André Krouwel im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Am Ende könnte eine Fraktion stehen, die im Europäischen Parlament die viertstärkste Kraft stellt. Das vergrößere gleichzeitig die Bedrohung für die EVP. "Auf einmal gäbe es dann zwei oder sogar drei Parteigruppen. Das wiederum würde bedeuten, dass sie nicht mehr die Größten sind und viel an Einfluss verlieren werden." Eines prognostiziert Krouwel allerdings schon jetzt: "Letztlich könnte das Europäische Parlament polarisierter als je zuvor dastehen."