Schutzklauseln endgültig vom Tisch. | Frattini will Kampf gegen organisiertes Verbrechen. | Brüssel. Bulgarien und Rumänien sind seit einem halben Jahr EU-Mitglied und erfüllen weiterhin in zentralen Bereichen wie der Justiz die Standards der Union nicht. Dennoch konnte sich die EU-Kommission nicht einmal zu einer Rüge der beiden neuen Mitgliedsstaaten durchringen, Sanktionen scheinen unabhängig von den Fortschritten der Regierungen in Sofia und Bukarest für immer vom Tisch.
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In keinem der beiden Länder gibt es bisher ein einziges Urteil wegen hochrangiger Korruption, die Reformen treten auf der Stelle. Dafür machten in Bulgarien besonders die Auftragsmorde an Lokalpolitikern in jüngster Zeit "große Sorge". Anklage gibt es deshalb bisher nicht eine. Das geht aus den am Mittwoch veröffentlichten Fortschrittsberichten der Kommission hervor.
Klar war bereits, dass deswegen keine Schutzklauseln für Bulgarien und Rumänien in Kraft treten würden - etwa die Nichtanerkennung von Gerichturteilen aus den beiden Ländern oder die Zurückhaltung von EU-Fördermitteln. Wenigstens deutliche Kritik wegen der lediglich minimalen Fortschritte wollten die Experten der EU-Kommission aber üben. Doch dabei machte ihnen das Kollegium der Kommissare einen Strich durch die Rechnung. Die Fortschrittsberichte wurden von höchster Ebene geschönt: Kein Wort mehr von drohenden Schutzklauseln. Es habe Fortschritte gegeben, für deren Bewertung brauche man noch Zeit, so die Konklusio.
Schließlich wolle man den Mitgliedsstaaten ja helfen, meinte Justiz- und Innenkommissar Franco Frattini, der statt dem angekündigten Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso vor die Presse trat. Da bringe es nichts, belehren zu wollen. Und schließlich sei die Kommission mit einigem ja sehr zufrieden. So sei eine wichtige Verfassungsreform in Bulgarien vom Parlament angenommen aber noch nicht umgesetzt worden. Darin soll etwa die Unabhängigkeit der Justiz klargestellt werden. Und auch die Kleinkorruption an den bulgarischen Grenzen sei weniger geworden. Erst am Dienstag habe die rumänische Volksvertretung eine Agentur für Integrität verabschiedet. Die soll die Vermögensverhältnisse hoher Beamter und Politiker überprüfen. Die Zustimmung des Senats steht freilich noch aus. Fast hätten Sofia und Bukarest also sogar die zur Vermeidung der Schutzklauseln vorgeschriebenen Zielmarken erreicht, meinte Frattini. Jetzt sei es an der Zeit die Reformen auch umzusetzen, replizierte er Barrosos Aussagen bei den Vorstellungen der letzten Fortschrittsberichte vor den Beitritten letztes Jahr. Auch dass der Report verwässert wurde, sieht Frattini differenziert. Der entschiedenere Vorschlag der Experten sei lediglich eine Grundlage für die Beratungen der Kommissare, welche die politische Entscheidung träfen. Das sei ein "ganz normales Verfahren".
Wann denn Schutzklauseln eingeführt werden könnten, wurde der Italiener schließlich gefragt. "Wenn es überhaupt keine Fortschritte gibt", antwortete er - also nie. Immerhin will die EU-Kommission in einem Jahr erneut einen Fortschrittsbericht vorstellen, dem dann vielleicht eine ernste Mahnung folgt.