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EU lehnt die US-Nahostpolitik ab

Von Matthias Lauber

Politik

Caceres - Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern legt zunehmend die generellen Meinungsunterschiede zwischen der EU und den USA bei der Krisenbewältigung offen. Wie ein neuer Anlauf für eine Initiative in der Region genau aussehen soll, konnten die Außenminister am Wochenende im spanischen Caceres zwar noch nicht beantworten.


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Mit zunehmendem Selbstbewusstsein ihrer außenpolitischen Rolle gaben die Europäer an die Adresse der USA aber bereits zu verstehen, dass sie in Nahost eine Beschränkung der Politik nur auf Sicherheitsfragen nicht hinnehmen wollen. Der spanische Ratsvorsitzende Josep Pique mahnte den Entwurf einer politische Perspektive an. Einzelne EU-Politikern wurden in ihrer Kritik an den USA noch weit konkreter.

Vedrine: "Zu vereinfacht"

Frankreichs Außenminister Hubert Vedrine, der in den vergangenen Tagen mehrfach die Washingtoner Weltsicht als "zu vereinfacht" verurteilte, sprach von einem "Fehler" der US-Politik. Das solle die EU auch offen aussprechen, forderte er. Dass den Europäern das bedrohliche Bild der "Achse des Bösen" als Leitlinie ihrer Politik nicht reicht, haben auch andere US-Präsident George W. Bush unmissverständlich zu verstehen gegeben. EU-Außenkommissar Chris Patten warf Bush in einem Zeitungsinterview eine "absolutistische und allzu einfache" Außenpolitik vor, bei der die Europäer eingreifen müssten, damit es nicht zur "einseitigen Übertreibung" komme. Patten stellte gar in Frage, ob Bush überhaupt eine durchdachte Politik verfolge, und nicht eher "mehr Rhetorik als Substanz". Schelte habe Patten dafür im Kreis der Minister nicht bezogen, versicherte Vedrine später.

Terror-Ursachen ausleuchten

Was die Europäer im Sinn haben, wenn sie der US-Politik "übermäßige Vereinfachung" vorwerfen, wurde in Caceres in Delegationskreisen klar benannt. Sie wollen eine viel breiter angelegte Nahost-Politik, die die Achtung der Menschenrechte, die Demokratisierung der Gesellschaft sowie wirtschaftliche und soziale Entwicklung zum Ziel hat. Dazu gehöre auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ursachen des Terrors. Zugleich sind die Europäer realistisch genug, ihre Bedeutung in der Region nicht zu überschätzen, ohne allerdings so weit zu gehen wie Kommissionspräsident Romano Prodi: Der vertraute vor dem Treffen einer Zeitung an, die EU habe im Nahen Osten "noch nie eine Rolle gespielt".

Die USA seien entscheidend für den Friedensprozess "wie die Europäer", formulierte der deutsche Außenminister Joschka Fischer am Rande des Treffens diplomatisch die Forderung der EU nach gleichberechtiger Beteiligung. Tatsächlich aber müssen die Europäer diesen Stellenwert erst noch verdienen, auch als größter Geldgeber für den Aufbau der besetzten Gebiete. Vorschläge, was für den Frieden in Nahost getan werden könne, gab es in Caceres reichlich, so aus Deutschland, Frankreich und Italien. Für eine gemeinsame Linie reichte das noch nicht, auch wenn, wie in den Delegationen versichert wurde, die unterschiedlichen Vorstellungen nicht unvereinbar seien. Den nächsten Anlauf nahmen sich die Minister nun für den 18. Februar in Brüssel vor.

Ohne die USA ist ein Erfolg in Nahost nicht möglich, stellte Pique klar. Ohne die Europäer aber auch nicht, gaben dazu die Diplomaten zurück. Was das für die künftige Politik von USA und EU heißt, verhehlte der spanische Hausherr am Ende des Treffens nicht: Konzentration auf die Zusammenarbeit statt Dissens.

Cheney: "Arafat aufhängen"

Die USA wollen Arafat vorerst nicht fallen lassen - in Washington ist er aber offenbar äußerst unbeliebt. "Wenn's nach mir geht, könnt ihr ihn auch aufhängen", sagte Vize-Präsident Dick Cheney dem israelischen Verteidigungsminister Ben-Eliezer laut "Yediot Aharonot" vom Freitag.