Juncker: "Europa kann keine Arbeitsplätze schaffen". | Atomenergie auf dem Vormarsch. | Brüssel. Das gesamte Verhandlungsgeschick des EU-Ratspräsidenten und Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel ist am Freitag in Brüssel gefordert. Der Widerstand gegen die verpflichtenden "mindestens zehn Millionen neuen Arbeitsplätze bis 2010" und andere Zahlenziele der Österreicher hat sich am Vortag auf Ebene der EU-Regierungschefs deutlich bestätigt.
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"Europa kann keine Arbeitsplätze schaffen"; Schüssel werde ihm diese Zahlen daher erklären müssen, meinte etwa Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker. Schüssel zeigte sich trotzdem optimistisch. "Wir wollen pro Jahr etwa ein Prozent Beschäftigungswachstum in den nächsten Jahren erreichen. Wenn das hält, sind das zehn Millionen zusätzliche Arbeitsplätze bis 2010", sagte Schüssel. Außer den Schweden und der Kommission hätten sich in den Vorbesprechungen nahezu alle EU-Staaten gegen ein solches Ziel ausgesprochen, hieß es in Diplomatenkreisen.
In der Energiedebatte gab es erwartungsgemäß keinerlei Ambitionen der Mitgliedsstaaten, Kompetenzen an Brüssel abzugeben. Es dürfe keine Verschiebung der Zuständigkeiten geben, meinte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Schwierig gestalten dürfte sich die Einigung auf Mindestziele im europäischen Energiemix bei gleichzeitiger ausschließlicher Kompetenz der Regierungen. Denn zahlreiche Länder setzen unverhohlen auf Atomkraft zur Erreichung der Klimaziele. Dass die Nuklearenergie ein Thema für die Zukunft werde, hatte auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso im Vorfeld bekräftigt.
So gab es auch hier gegen genaue Festschreibungen Widerstand bis zuletzt. Österreich schlug als Formel vor: Mindestens 15 Prozent erneuerbare Energien bis 2010 und 8 Prozent Biotreibstoff bis 2015. Das sei nicht so abgesprochen gewesen, kritisieren Diplomaten. Umstritten war zuletzt auch noch die genaue Formulierung der Dienstleistungsrichtlinie unter Berücksichtigung der Parlamentsabstimmung.
Schüssel ein "gewiefter Verhandler"
In den Diplomaten-Kreisen vermutet man, dass Schüssel bewusst all diese Punkte eingefordert, um dann zum Schluss "zumindest etwas" zu bekommen. Schüssel sei ein "gewiefter Verhandler". Was am Ende übrig bleiben werde, sei aber reine Spekulation. Gerade noch abgewehrt wurde indes ein Anlauf der Italiener, die aktuellen Fusionsschlachten am Energiesektor offiziell zu thematisieren. Offensichtlich konnte Österreich Finanzminister Giulio Tremonti beschwichtigen - sein Büro bestätigte telefonischen Kontakt mit Karl-Heinz Grasser. "Die Diskussion wird sicher keine Rolle spielen", sagte Schüssel am Donnerstagnachmittag. Die Beurteilung von Fusionen sei Sache der Kommission. Und Industriekommissar Günter Verheugen meinte an die Adresse Spaniens und Frankreichs: "Die Möglichkeiten der Kommission reichen aus, um die Marktöffnung zu erzwingen".