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In Ungarn, das bisher als Musterland in Sachen EU-Zustimmung galt, verlor das Lager der Beitrittsbefürworter innerhalb von sechs Monaten 17 Prozent an Stimmen. Wie eine Umfrage des ungarischen Marktforschungsinstitutes Szonda-Ipsos zeigt, scheinen jetzt Ängste vor einem Beitritt verstärkt zum Tragen zu kommen. Erstaunlich ist vor allem, dass die Wähler der oppositionellen FIDESZ-Partei in den letzten Monaten den Glauben an die EU ganz wesentlich verloren haben.
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Zwar bezeichneten sich insgesamt immerhin 56 Prozent als Beitrittsunterstützer, doch diese Zahl nähert sich jetzt schon gefährlich der kritischen fünfzig Prozent-Marke und könnte damit das Niveau in den umliegenden osteuropäischen Staaten und im Baltikum erreichen.
Im Sommer letzten Jahres dachten die Magyaren noch positiver über den EU-Beitritt. Eine Mehrheit von 62 Prozent meinte, dass auf Ungarn im Falle eines Beitrittes eher vorteilhafte Veränderungen zukommen. Nur 20 Prozent glaubten, dass sich die Situation in Ungarn verschlechtern wird. Seitdem hat sich einiges verändert. Im September glaubten nur noch 54 Prozent an einen Aufschwung, im November 51 Prozent und jetzt im Januar nur noch 45 Prozent. Gleichzeitig stieg die Ablehnungsrate von 20 auf 39 Prozent.
Dabei wird die Einstellung der Ungarn zur EU durch die politische Zugehörigkeit beeinflusst. Während die Anhänger der Regierungsparteien tendenziell optimistisch gen Brüssel blicken, sieht die Mehrheit der oppositionellen FIDESZ-WählerInnen dem Beitritt mit Besorgnis entgegen. Diese politische Bruchlinie ist vor allem bei Personen mit hohem Bildungsabschluss zu spüren: Unter ihnen sind die rechtskonservativen größtenteils klar als EU-Gegner einzustufen. Im Sommer letzten Jahres war diese Spaltung noch nicht spürbar. Akademiker, egal welcher Partei sie nahe standen, waren mit überwältigender Mehrheit für den Beitritt. Jetzt warten zwar 80 Prozent der sozialdemokratisch Wählenden mit hohem Bildungsniveau sehnsüchtig auf den Beitritt aber 60 Prozent der FIDESZ-Wähler mit Höchstbildung rechnen ab Beitritt im Jahr 2004 mit Nachteilen für Ungarn. Diese Zahlen korrespondieren nicht unbedingt mit der Haltung der jeweiligen Parteien zur EU-Frage. Denn sowohl die Linke, als auch FIDESZ sind klar für diesen Schritt. Gegen den EU-Beitritt stellt sich in Ungarn nur eine einzige (außerparlamentarische) Partei: Es ist dies die rechtsextreme Ungarische Wahrheit-und-Leben-Partei (MIÈP). Umso mehr ist dieses Umfrageergebnis überraschend.
József Szájer, Vize-Vorsitzender von FIDESZ meinte allerdings gegenüber der ungarischen Tageszeitung Népszabadsá, dass man aus dem Zusammenhang zwischen Wahlverhalten und Einstellung zur EU keine weitgehenden Schlüsse ziehen sollte: Er wies auf eine Untersuchung hin, die gezeigt haben soll, dass innerhalb der Wählerbasis von FIDESZ der Anteil der Beitrittsunterstützenden größer sei als im Lager des Gegners.
Zusammenfassend zeigt sich, dass sich Menschen ohne höhere Bildung und mit niedrigem Einkommen als Verlierer des EU-Prozesses sehen. Jugendliche, Personen mit guter Ausbildung, und Großstadtbewohner können größtenteils den Tag des Beitrittes kaum erwarten. Dass das EU-Referendum, das für April diese Jahres ansteht, in die Hose gehen könnte, ist aber unwahrscheinlich: Denn unter denen, die sicher zur Abstimmung gehen, wollen sich 76 Prozent für den Beitritt entscheiden.