US-Präsident Bush: "Die Kosovaren sind unabhängig." | Zypern, Slowakei und Rumänien haben Bedenken. | Brüssel. Noch waren die Bilder des Jubels in Pristina gegenwärtig. Ausgelassen hatten die Kosovo-Albaner ihre Unabhängigkeitserklärung mit Straßenfesten und Feuerwerken begangen. Nur einen Tag später verkündete Präsident George W. Bush am Montag, dass die USA das neue kleine Land unmittelbar anerkennen würden: "Die Kosovaren sind jetzt unabhängig", sagte er. Die Anerkennung habe er mit seiner Administration bereits abgestimmt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Bei den EU-Außenministern, die am selben Tag zusammentrafen, herrschte dagegen erste Ernüchterung. Die Deklaration der Republik Kosovo per 17. Februar hatte sich zwar zuletzt bereits immer klarer abgezeichnet. Und die zivile EU-Friedensmission konnte gerade noch zwei Tage davor endgültig beschlossen werden. Mit einer gemeinsamen Reaktion auf die Unabhängigkeitserklärung taten sich die Minister aber mehr als schwer. Die bekannten Gräben taten sich massiver auf, als erwartet: Spanien werde den Kosovo nicht anerkennen, erklärte Außenminister Miguel Angel Moratinos schon bei seinem Eintreffen in bisher nicht da gewesener Deutlichkeit. Und Rumäniens Präsident Traian Basescu bezeichnete die Unabhängigkeitserklärung Pristinas als "illegal".
Positiv äußerten sich dagegen die Vertreter Frankreichs und Großbritanniens, Bernard Kouchner und David Miliband. Frankreich werde den Kosovo anerkennen, erklärte der Franzose. Eine führende Rolle für Europa forderte Miliband. Scheinbar zurückhaltend gab sich Deutschland: Berlin werde den Kosovo am Montag noch nicht formell anerkennen, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel wissen.
"Jeder wie er will"
Schließlich einigte man sich darauf, sich auf keine Linie einigen zu wollen: Die EU überlasse jedem der 27 Mitgliedstaaten selbst die Entscheidung, ob er den Kosovo anerkennen wolle oder nicht. "Der Rat stellt fest, dass die Mitgliedstaaten über ihre Beziehungen mit Kosovo entscheiden in Übereinstimmung mit ihren nationalen Praktiken und Völkerrecht", heißt es in einer gemeinsam angenommenen Erklärung.
Die EU-Mitglieder der Kosovo-Kontaktgruppe - Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien - sollten laut Plan die Unabhängigkeitserklärung als erste anerkennen. Berlin, London und Rom gaben in der Tat am Nachmittag bekannt, dass man die Unabhängigkeit des Kosovo akzeptieren wolle. In den meisten EU-Staaten müssen bis dahin allerdings noch einige prozedurale Schritte unternommen werden. So ist in Deutschland ähnlich wie in Österreich noch das Kabinett und der Bundespräsident zu befassen. Insgesamt wurden am Montag bis zu fünfzehn Absichtserklärungen, den Kosovo demnächst anerkennen zu wollen, erwartet.
Während die gegenwärtig der EU vorsitzenden Slowenen und die überwiegende Mehrheit der Staaten in der gemeinsamen EU-Erklärung gerne einen "unabhängigen Staat unter internationaler Kontrolle" als Referenz erwähnt hätten, pochten vor allem die Spanier auf die Einhaltung des Völkerrechts und die "Prinzipien der territorialen Integrität." Letzteres spiegelt allerdings eher die Position Serbiens und Russlands wider, die weiterhin massiv gegen die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo protestieren.
Denn ein solcher Schritt sei völkerrechtlich nicht gedeckt, meinte nun auch Moratinos. Madrid machte damit offenbar seinem Ärger Luft, dass die Unabhängigkeitserklärung nicht wie zeitweilig angedacht bis nach den spanischen Wahlen am 9. März hinausgezögert wurde. Nun befürchten die Regierungsparteien Auftrieb für die separatistischen Kräfte im Baskenland und in Katalanien.
Neben Rumänien äußerte sich vor allem Zypern umgehend ablehnend gegenüber einem unabhängigen Kosovo: Die Anerkennung der kosovarischen Erklärung "außerhalb der von der internationalen Gemeinschaft angenommenen Prinzipien" schaffe einen Präzedenzfall und könne in der Zukunft zu Problemen führen, erklärte ein Sprecher der zypriotischen Regierung. Diese fürchtet vor allem Vorbildwirkung für den türkisch dominierten Nordteil der Insel. Stets gegen eine Anerkennung hatte sich bisher auch Griechenland ausgesprochen.
Die ebenfalls skeptische Slowakei ließ mit versöhnlichen Tönen aufhorchen: Man werde zwar demnächst keine diplomatischen Beziehungen zum Kosovo aufbauen, hieß es, wolle aber die Situation nach den ersten Schritten der Internationalen Gemeinschaft neu bewerten.
HintergrundDossier: Kosovo nach der Unabhängigkeitserklärung
+++ Die wichtigsten Personen
+++ Zahlen und Fakten
Österreich will kein Nachzügler sein
+++ Moskau bringt Thema erneut vor UN-Sicherheitsrat
+++ Rufe nach Souveränität auch in Bosnien und Georgien
+++ Erzürntes Serbien will Schritte gegen Kosovo setzen
+++ Kosovo verlässt Serbien