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EU-Milliardenpoker eröffnet

Von Martyna Czarnowska

Politik

Kommission fordert Erhöhung der Ausgaben für die Europäische Union - Mitgliedstaaten sparen nicht mit Kritik.


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Brüssel/Wien. "Wenn kein Geld mehr im Haus, fliegt die Liebe beim Fenster raus." Einen Spruch auf Deutsch nahm EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu Hilfe, um zu erklären, warum es künftig nicht weniger, sondern mehr Finanzmittel für die Europäische Union geben sollte. Gemeinsam mit Haushaltskommissar Günther Oettinger präsentierte er die Eckpunkte des EU-Haushalts für die kommenden Jahre.

Dabei will sich die Brüsseler Behörde weder von EU-internen Zwistigkeiten noch vom Brexit beirren lassen. Sie fordert trotz des Wegfalls des britischen Beitrags ein höheres Budget für die Union. Nicht - wie bisher -ein Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung soll dafür aufgebracht werden, sondern 1,11 Prozent. Der Ausgabenrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 würde sich damit auf 1135 Milliarden Euro zu Preisen von heuer erhöhen. Unter Berücksichtigung der Inflation wären das 1279 Milliarden Euro. In der bis 2020 laufenden Finanzperiode sind Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 1090 Milliarden Euro eingeplant. Das sind die im Vorhinein getätigten Zusagen für bestimmte Bereiche und Projekte - die Rechnungen für deren Realisierung aber werden meist Monate oder Jahre später gestellt. Das tatsächlich überwiesene Geld sind dann die Zahlungen, und die liegen oft unter den Verpflichtungen. Ab 2021 wären das 1246 Milliarden Euro.

Kürzungen im Agrarbereich

Die Budgetlücke in Höhe von bis zu 14 Milliarden Euro nach dem EU-Austritt Großbritanniens soll durch neue Einnahmequellen wie eine Plastiksteuer sowie durch Kürzungen wettgemacht werden. Zwar verschaffe die wirtschaftliche Erholung "uns eine Atempause", befand Juncker bei der Präsentation des Entwurfs im EU-Parlament. Der konjunkturelle Rückenwind "wird uns aber nicht vor Einsparungen in einigen Bereichen verschonen".

Die Einschnitte sollen jedoch moderat ausfallen - wenn sie auch die zwei größten Haushaltsposten treffen. Die Beihilfen für Landwirte sowie Infrastruktur-Förderungen für wirtschaftlich schwächere Regionen sollen jeweils um fünf Prozent gekürzt werden. Bisher machen sie rund drei Viertel der Ausgaben der EU aus. Umgekehrt soll es mehr Geld für Entwicklungshilfe, Forschung, das Studentenaustauschprogramm Erasmus sowie die Grenzschutztruppe Frontex geben. Diese Behörde soll, künftig ausgestattet mit bis zu 33 Milliarden Euro, rund 10.000 Menschen beschäftigen, was eine Vervielfachung des derzeitigen Personalstandes bedeuten würde.

In Kohäsion - also die Strukturhilfen - sowie in Landwirtschaft fließen aber weiterhin die meisten Mittel. Insgesamt sind die Ausgaben auf sieben Bereiche verteilt. Die Zahl der Programme wird auf 37 reduziert.

Rabatte vor dem Auslaufen

Darin sind auch einige Neuerungen vorgesehen. So sollen die Länder der Eurozone bei der Durchführung von Reformen gestärkt und jene Staaten, die die Gemeinschaftswährung einführen wollen, bei der Anpassung unterstützt werden. Das entsprechende Programm soll einen Umfang von 25 Milliarden Euro haben. Weitere 30 Milliarden Euro sollen als Stabilisierungsfaktor bei wirtschaftlichen Schocks dienen.

Wegfallen sollen hingegen die Rabatte, die einigen Mitgliedern auf ihre Beiträge gewährt werden. Das komplizierte System der Abschläge, an dessen Anfang ein finanzielles Zugeständnis an London stand, soll nach dem Willen der Kommission innerhalb von fünf Jahren auslaufen. Neben Großbritannien profitieren davon Deutschland, Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden.

Neu soll auch die Verknüpfung von Förderungen und Rechtsstaatlichkeit sein. Deren Einhaltung prüft die Kommission derzeit in Polen. Doch soll das Land nicht zu einem Präzedenzfall dafür werden, dass EU-Subventionen entzogen werden, wenn Grundwerte in Gefahr sind. Vielmehr ist im Vorschlag der Kommission die Rede von einem Schutz vor finanziellen Risiken für den EU-Haushalt, die auf "generelle Rechtsstaatlichkeitsdefizite" in den Mitgliedstaaten zurückgehen.

Nettozahler mit Einwänden

Auf Kritik aus den Ländern musste die Kommission nicht lange warten - wenn auch die Beweggründe der Regierungen dafür unterschiedliche sind. Die Niederlande beispielsweise wollen nicht auf ihren Rabatt verzichten. Österreich verweist darauf, dass es nicht zu einseitigen Mehrbelastungen für die Nettozahler kommen dürfe, also für jene Staaten, die mehr ins gemeinsame Budget fließen lassen als sie daraus erhalten. Auf eine "faire Aufteilung" der finanziellen Last pocht ebenfalls Deutschland. Frankreich wiederum findet die geplanten Kürzungen im Agrarbereich "inakzeptabel". Und Polen sträubt sich gegen neue Bedingungen für die Auszahlung von Förderungen.

Es ist nur der Auftakt zäher Verhandlungen um das künftige Unionsbudget. Dem Entwurf der Kommission müssen sowohl die Mitgliedstaaten als auch das EU-Parlament zustimmen. Dass es während der Gespräche noch zu Änderungen im Vorschlag kommen wird, ist daher absehbar. Die vorangegangenen Verhandlungen um die langjährige Finanzplanung zogen sich länger als zwei Jahre hin. Doch dieses Mal könnte die Zeit knapper werden: Im kommenden Jahr finden Europawahlen statt.