Österreicher am kritischsten. | Künftige Erweiterung abgelehnt. | Türkei unbeliebter als Albanien. | Brüssel. Immer weniger Bürger können mit der Europäischen Union etwas anfangen. Kurz bevor Österreich am 1. Jänner den EU-Vorsitz übernimmt, ist die Europa-Stimmung im Land im Keller. Besonders negativ werden eventuelle künftige Erweiterungsschritte beurteilt. Die Türkei kommt am schlechtesten weg.
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Zwar sind alle Bewohner Europas laut aktueller Eurobarometer-Umfrage im Schnitt noch unzufriedener mit der Union als schon bei der letzten Befragung im Juni.
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Österreich ist aber inzwischen sogar hinter das traditionell EU-skeptische Großbritannien auf den letzten Platz zurückgefallen. Dass die Mitgliedschaft bei der EU "eine gute Sache" sei, glauben nur noch 32 Prozent der Österreicher gegenüber 37 Prozent im Juni. Im EU-Schnitt finden nur noch 50 statt 54 Prozent die Mitgliedschaft ihres Heimatlandes gut.
Ein positives Image konnten dem europäischen Projekt nur 24 Prozent der Österreicher (statt 30) attestieren. Auch hier ist das kommende Vorsitzland das Schlusslicht in Europa. EU-weit glänzt die Union immerhin noch für 44 Prozent der Befragten gegenüber 47 im Frühjahr. Und nur noch in Schweden sehen mit 32 Prozent weniger Einwohner Vorteile durch die EU-Mitgliedschaft als in Österreich (35 Prozent).
Von Erweiterung wollten die Österreicher schon im Juni am wenigsten von allen EU-Bürgern wissen. Nur 29 Prozent wollen in der Zukunft überhaupt noch ein Land beitreten lassen, noch um zwei Prozent weniger als vor einem halben Jahr. 60 Prozent sind pauschal dagegen. Konstant bleibt auch die Ablehnung der Türkei: 80 Prozent wollen sie niemals in der EU haben. Nur in Zypern sehen das genauso viele Einwohner so. Dort sind aber immerhin noch 16 Prozent dafür, in Österreich nur elf.
"Schwieriges Jahr"
Die Türkei, mit der die Beitrittgespräche offiziell seit 3. Oktober laufen, ist dabei noch unbeliebter als die Ukraine (19 Prozent für Beitritt) oder sogar Albanien (12). Bulgarien und Rumänien, über deren Aufnahme im Jahr 2007 unter österreichischem Vorsitz entschieden werden muss, werden mit 69 und 72 Prozent abgelehnt. EU-weit sind 48 Prozent für den bulgarischen Beitritt, in den neuen Mitgliedsstaaten sogar 64 Prozent. Immerhin noch 43 Prozent der EU-Bürger wünschen sich Rumänien in der EU. Und am Westbalkan mögen die Österreicher nur die Kroaten dabeihaben. Die fischen sogar Stimmen im Lager der Erweiterungskritiker: 50 Prozent sind für einen EU-Beitritt des südlichen Nachbarn, nur 42 Prozent dagegen.
Die für Kommunikation zuständige Kommissarin Margot Wallström führt die katastrophalen Ergebnisse auf ein "schwieriges Jahr" zurück in dem die Bürger "zu viel Egoismus der Mitgliedsstaaten erlebt" hätten und "zu wenig Vision und Solidarität". Nach der Einigung auf den künftigen Finanzrahmen werde es nun aber "wahrscheinlicher, Europa seinen Bürgern näher bringen zu können", erklärte ihr Sprecher. Positiv vermerkte er, dass die grundsätzliche Zustimmung für eine EU-Verfassung auch in Frankreich und den Niederlanden mit 67 und 62 Prozent hoch sei.
Die Debatte zählt, nicht die Erfahrung