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EU nicht vermittelbar? Denkste!

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

ATV will seine Quotenerfolge bei der Nationalratswahl im EU-Wahlkampf fortsetzen. Denn Europa ist ein innenpolitisch brisantes Thema, wenn auch negativ besetzt.


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Der EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin und die "Kronen Zeitung" haben bereits am Sonntag den Wahlkampf für die Wahl des europäischen Parlaments am 7. Juni 2009 eröffnet. Die Wahl solle zu einer EU-Volksabstimmung, einem "großen, gemeinsamen Referendum" umfunktioniert werden, um den Reformvertrag von Lissabon doch noch zu Fall zu bringen.

Viele Österreicher, aber längst nicht alle, werden diese schon im Ansatz demagogische Fortsetzung der anti-europäischen Linie der "Kronen Zeitung" bedauern. Aber man muss Fakten erstens zur Kenntnis nehmen und zweitens etwas dagegen tun. Dazu gehört auch die Bemerkung, dass die Kampagne der auflagenstärksten Zeitung der SPÖ vielleicht half, ihren Kanzlerkandidaten zu retten, nicht aber, den Absturz der Partei in der Wählergunst zu verhindern.

Innenpolitisch stellt sich die Europafrage ab sofort. Koalitionsverhandler brauchen gar nicht erst zu beginnen, wenn sie sich nicht klar darüber geworden sind, wie Österreichs Verhältnis zur EU gestaltet werden soll. Es geht nicht nur um die Wahl des europäischen Parlaments, sondern tatsächlich um die Rettungsversuche für den Reformvertrag, der durch die überwiegende Mehrheit der EU-Staaten bereits ratifiziert worden ist, aber wegen des irischen Vetos nicht in Kraft treten kann. Beim EU-Gipfel im Dezember wird die erste Vorentscheidung darüber fallen, ob den Iren eine Möglichkeit gegeben wird, neuerlich abzustimmen - und ihr Nein zurückzuziehen.

Europäische Angelegenheiten gelten in Österreich als kaum vermittelbar, und in der Tat: Die administrativen Wälzereien in Brüssel sind nicht einmal in Worte zu fassen, geschweige denn zu filmen. Roland Adrowitzer, der als langjähriger ORF-Korrespondent in Brüssel reiche Erfahrung nach Wien mitbrachte, gesteht: "Aus Brüssel zu berichten, ist eine Herausforderung. Brüssel ist nicht sexy." Er könnte genauso gut sagen, es handle sich um ein heldenhaftes, aber vergebliches Bemühen der Journalisten. Ein pures EU-Thema im Fernsehen fegt die Zuschauer im Nu weg.

Nicht nur Journalisten, sondern auch Politiker wissen das, weshalb der EU-Abgeordnete Othmar Karas mit Recht klagt, dass EU-Themen im Wahlkampf wenn überhaupt, dann nur negativ vorgekommen seien. Bei den TV-Konfrontationen seien für das Thema Europa höchstens zehn Prozent der Sprechzeit aufgewendet worden. "Kronen Zeitung" und das Thema Mehrwertsteuersenkung - beides aus EU-Sicht negativ besetzt - hätten in den Medien die größte Durchschlagskraft gehabt.

Aber selbst die Fixierung von Politikern und auch Medien auf Negativthemen verrät, dass Europapolitik über weite Strecken österreichische Innenpolitik ist. Und dieser Aspekt muss natürlich medial voll herausgearbeitet werden.

Das spürt instinktiv auch die private Fernsehanstalt ATV, die im zurückliegenden Wahlkampf einige Publikumserfolge in der Sparte innenpolitischer Information verbuchen konnte. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" meint der ATV-Geschäftsführer Ludwig Bauer: "Nicht nur Europa, sondern auch Innenpolitik ist schwer vermittelbar. Also muss man Möglichkeiten finden, um mit Themen oder Personen das herauszuarbeiten, was für die Bürger Relevanz hat. Und weil Europa ein ganz wichtiger Punkt ist, wird sich ATV auch bei den Europawahlen darum bemühen. Das ist uns bei den Nationalratswahlen gelungen - also warum nicht auch im Zusammenhang mit Europa?"

Würde der Europawahlkampf diesmal auf vielen medialen Ebenen durchschlagen, dann könnte er so schlecht wie der letzte im Jahr 2004 nicht laufen.

rueckantwort@wienerzeitung.at