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EU nimmt Gespräche mit Serbien wieder auf

Von WZ-Korrespondent Christian Wehrschütz

Europaarchiv

Belgrad: 80 Prozent des Abkommens ausverhandelt. | Kapitel Justiz und Inneres sowie Institutionen noch offen.


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Belgrad/Brüssel. Belgrad und Brüssel verhandeln wieder: Am heutigen Mittwoche starten die Gespräche über eine EU-Annäherung Serbiens neu. Die EU hat die Verhandlungen über ein so genanntes Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen im Mai des Vorjahres ausgesetzt; Grund dafür war, dass Serbien den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic nicht an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert hat.

Dass sich an dieser Tatsache so rasch nichts ändern wird, daran bestand wohl auch in Brüssel kein Zweifel. Trotzdem waren die EU-Kommission und viele Mitgliedsstaaten bestrebt, den Zustrom zu den serbischen Ultranationalisten durch eine harte Haltung nicht noch zusätzlich zu fördern und daher aus der Sackgasse heraus zu kommen, in die sie sich mit der Junktimierung von Mladic und Verhandlungen selbst hinein manövriert hatte.

Unerfüllte Hoffnung

in der Kosovo-Frage

So manche EU-Staaten wollten die Gespräche mit Serbien auch deshalb so rasch wie möglich wieder aufnehmen, weil Belgrad damit der drohende endgültige Verlust der albanisch dominierten Provinz Kosovo leichter gemacht werden sollte. Diese Hoffnung erwies sich zwar als eine der vielen Fehleinschätzungen der EU und ihrer Mitglieder auf dem Balkan; trotzdem war in Brüssel klar, dass ohne deutliches Signal aus Serbien in Richtung Haager Tribunal die Wiederaufnahme der Gespräche nicht in Frage kam. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass in der seit Mitte Mai bestehenden neuen Regierung die pro-europäischen Kräfte dominieren.

Ein Zeichen setzte Serbien nun Anfang Juni mit der Auslieferung von Zdravko Tolimir. Der 59-jährige Ex-General der bosnischen Serben war nach Ratko Mladic und Radovan Karadzic der meistgesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher. Brüssel reagierte postwendend und gab grünes Licht für die Gespräche über die EU-Annäherung.

Konkret geht es nun um das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen. Sein Abschluss bildet die Voraussetzung dafür, dass Serbien den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten und später Beitrittsgespräche aufnehmen kann.

Nach Angaben aus Belgrad sind 80 Prozent des Abkommens ausverhandelt. Offen sind die Kapitel Justiz und Inneres sowie Institutionen; zu verhandeln gilt es auch über Annexe und Protokolle sowie über die Listen für die Liberalisierung des Handels mit Industrie- und Landwirtschaftsgütern. Dabei wird Serbien wohl auf möglichst lange Fristen drängen, weil es bestrebt ist, seine Bauern und seine Lebensmittelproduktion zu schützen, die Tycoons kontrollieren.

Serbien strebt rasches Ende der Gespräche an

Trotzdem hofft Belgrad, bis Ende Juli die Verhandlungen abschließen und bis Jahresende das Abkommen unterzeichnen zu können. Doch der Abschluss dürfte ohne Auslieferung von Ratko Mladic kaum möglich sein. Ob es dazu kommt, bleibt abzuwarten.

Durch die mangelhafte Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal hat Serbien schon viel Zeit verloren. So begannen die Gespräche mit der EU im Oktober 2005, also vor fast zwei Jahren. Damals bestand noch der Staatenbund mit Montenegro, das seit einem Jahr unabhängig ist und die Annäherungsverhandlungen mit der EU bereits abgeschlossen hat. Neben Bosnien ist Serbien somit das letzte Land des Balkan, das dieses Ziel bisher noch nicht erreicht hat und auf dem Weg Richtung EU weit zurückgeblieben ist.