Beim Gipfel in Zagreb wird der Integrationsprozess besiegelt.
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Wenn die EU-Staats- und Regierungschefs heute, Freitag, in Zagreb zum Südosteuropa-Gipfel nach Zagreb reisen, dann wollen sie den Regierungen in Jugoslawien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Albanien vor allem eines signalisieren: dass nach einem von Krieg und Feindseligkeiten gekennzeichneten Jahrzehnt dem Weg nach Europa nun nichts mehr im Wege steht. Die Union hat dazu ein Konzept entwickelt, das, wie Albert Rohan, Generalsekretär im Außenamt, gegenüber der "Wiener Zeitung" erläuterte, aus vier Säulen besteht und in Zagreb feierlich verabschiedet werden soll.
Wesentlichstes Element ist die Vertiefung des Stabilisierungs- und Assoziiierungsprozesses: Die EU will mit jedem der fünf Länder ein maßgeschneidertes Abkommen abschließen, das die Zusammenarbeit auf politischer und wirtschaftlicher sowie im Justiz-Bereich vorsieht. Bisher ist nur ein Assoziationsabkommen unter Dach und Fach: jenes mit Mazedonien, das in Zagreb entsprechend feierlich unterzeichnet wird. Mit Kroatien erfolgt gleichzeitig der Startschuss für die Verhandlungen. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, die beide am EU-Gipfeltreffen teilnehmen, betonten, dass die "Europäische Perspektive" ein wichtiger Motor für notwendige Reformen in den betreffenden Ländern sei. "Wir sind überaus erfreut, wie sich die Lage am Balkan entwickelt; die Region hat ein großes demokratiepolitisches Potenzial", erklärte EU-Kommissar Chris Patten, der gestern in Wien mit Ferrero-Waldner zusammentraf. Zweiter Pfeiler für das Integrationsprojekt ist ein umfassendea finanzielles Hilfsprogramm: den Balkan-Ländern werden bis 2006 4,65 Mrd. Euro (64 Mrd. Schilling) zur Verfügung gestellt. Das Finanzpaket war in der Vorwoche zur Unterstützung des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und der Demokratisierung in der Region gezurrt worden.
Darüber hinaus wird die Union "assymetrische Handessmaßnahmen" beschließen, das heißt, die EU gewährt den südosteuropäischen Ländern den zollfreien Zugang zum europäischen Markt. Dies sei, wie Generalsekretär Rohan betonte, "zum Teil ja auch jetzt schon geschehen", allerdings waren bis jetzt wichtige Bereiche ausgenommen, weil einzelne Läner ihre eigenen Produkte schützen wollten. Nun bestehe die Absicht, den Zugang zum EU-Markt gänzlich zu öffnen.
Allerdings hat jedes Offert auch seinen Preis: Für die nun in Aussicht gestellte beschleunigte Annäherung an Brüssel verlangt die Union im Gegenzug, dass die Balkan-Länder und hier vor allem die Länder Ex-Jugoslawiens ihre regionale Integration - sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene - vorantreiben. Durch entsprechende bilaterale Abkommen soll die künftige regionale Zusammenarbeit festgeschrieben werden. Neben der Bildung einer Freihandelszone verpflichtet die EU die betroffenen Balkan-Länder auch zur Kooperation auf dem Gebiet der Verbrechungsbekämpfung, des Drogenhandels und der Korruption. Zudem soll auch die Heimkehr der Flüchtlinge und die Auslieferung von Kriegsverbrechern an das UNO-Tribunal Bedingung für den Weg nach Europa sein.