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EU-Parlament für Vollmitgliedschaft

Von Veronika Gasser, Straßburg

Europaarchiv

Das EU-Parlament hat gestern entschieden, dass Verhandlungen mit der Türkei ohne weitere Verzögerungen und neue Vorbedingungen aufgenommen werden sollen. 407 Pro- zu 262 Gegenstimmen entschieden sich für den Bericht des konservativen niederländischen Abgeordneten Camiel Eurlings.


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Davor gab es noch eine hitzige Debatte darüber, ob heikle Abänderungsanträge geheim abgestimmt werden sollen. Parlamentspräsident Josep Borrell entschied für ein geheimes Votum.

Die Anträge der Türkei-Gegner erhielten eine Abfuhr. Die Mehrheit der Abgeordneten ist dafür, dass die Türkei ein vollwertiges Mitglied werden kann - sofern sie die Kriterien erfüllt. Die Änderungsanträge, die als Alternative eine privilegierte Partnerschaft also den sogenannten Plan B vorsahen, wurden abgelehnt. Erfreut über den Ausgang der Abstimmung zeigte sich Borrell. Zur Vollmitgliedschaft gebe es eben keine Alternative. "Damit wurde der Prozess zu einer der wichtigsten Fragen der Zukunft der EU eingeleitet", betonte der Parlamentspräsident. Das Thema habe in den nächsten Jahren Priorität.

Erleichtert über den Ausgang der Abstimmung zeigte sich auch Eurlings. Er gehört jenen Konservativen (EVP) an, die den Beitritt der Türkei begrüßen, doch er betont, dass die Türkei die Voraussetzungen - Menschen- und Frauenrechte, die Zypernfrage - dafür noch lange nicht erfüllt: "Die Türkei kann Mitglied werden, sie hat nun eine faire Chance. Aber wir machen Druck auf Veränderungen." Seine deutschen und französischen EVP-Kollegen waren anderer Meinung und stimmten daher gegen den Bericht.

Dass mit dem Votum die europäische Bevölkerung überfordert und deren Wille nicht berücksichtigt wird, glaubt Eurlings nicht. Er gibt allerdings im gleichen Atemzug zu, dass das Parlament nur eine Minderheit der Europäer, nur jene 30 Prozent, die an den Wahlen teilgenommen haben, vertritt. Borell glaubt, dass die Bürger in der Türkei das ihnen Unbekannte fürchten. Die Aufgabe der Politik müsse es daher sein, die Ängste zu zerstreuen und mehr zum gegenseitigen Kennenlernen beizutragen.

Von den 18 österreichischen Abgeordneten haben drei für die rasche Aufnahme von Verhandlungen gestimmt: Hannes Swoboda (S), Karin Resetarits (Liste Martin) und Othmar Karas (V). Vor allem die Entscheidung des ÖVP-Mandatars überrascht, weil Delegationsleiterin Ursula Stenzel im Vorfeld noch von geschlossener Ablehnung gesprochen hatte. Sie kritisiert, dass keine Zwischenlösung vorgesehen wird. Damit sei die Position von Kanzler Wolfgang Schüssel beim EU-Gipfel geschwächt worden.