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EU-Parlament kippt Swift-Vertrag

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Abgeordnete jubeln über Machtdemonstration. | USA: Rückschlag für Terrorekämpfung. | Brüssel. Überraschend deutlich lehnte das EU-Parlament gestern, Donnerstag, den Austausch von Banküberweisungsdaten mit den USA für die Terrorbekämpfung ab. Eine überwältigende Mehrheit von 378 gegen 196 Stimmen bei 31 Enthaltungen votierte gegen das bis Ende Oktober begrenzte Swift-Übergangsabkommen. Die Folge war allgemeiner Jubel unter den Abgeordneten über den "historischen Tag", an dem das EU-Parlament sowohl den Mitgliedsstaaten als auch den USA seine neue Macht demonstriert hat.


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Zuvor war der Versuch, die Abstimmung noch um einen Monat zu verschieben, um mehr Zeit für Verhandlungen zu gewinnen, gescheitert. 290 Parlamentarier hatten sich dafür ausgesprochen, 305 dagegen.

Es handle sich um "einen großen Tag für die europäischen Bürgerrechte und für das Europaparlament", erklärte ÖVP-Delegationsleiter Ernst Strasser. Jetzt müsse unverzüglich ein Verhandlungsmandat für ein dauerhaftes Abkommen mit den USA vorgelegt werden. Dort sollen dann auch die Datenschutzbedenken der Abgeordneten Eingang finden. Das hatte der EU-Rat, die Kammer der Mitgliedsstaaten in Brüssel, dem Parlament bereits formell zugesichert.

Strategisch sei die Ablehnung wichtig gewesen, weil das die Verhandlungsposition der EU für die anstehenden Gespräche mit den USA stärke, hieß es. Bei konkreten Verdachtsfällen könnten die USA immer noch im Rahmen bestehender Rechtshilfeabkommen Daten anfragen.

"Sieg für die Freiheit"

SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried erklärte die Ablehnung zu einem "Sieg für die Freiheit der Europäerinnen und Europäer". Er hoffe, dass der Rat die Debatte zum Anlass nehme, um neue Formen des Umgangs mit dem Parlament zu entwickeln. Die Abgeordneten waren vor allem verärgert, weil die Innenminister das Abkommen einen Tag vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags und damit der Aufwertung des Parlaments verabschiedet hatten. Sicherheitsbedenken habe er nicht, sagte Leichtfried zur "Wiener Zeitung". Das deutsche Bundeskriminalamt habe erklärt, dass die US-Bankdatenanalyse bisher nichts gebracht hätte.

Die US-Regierung erklärte dagegen, dass ihr Terrorist Finance Tracking Programme bisher mehr als 1500 sachdienliche Hinweise an EU-Behörden geliefert habe. Das Parlamentsvotum bezeichnete sie als "Rückschlag für die US-EU-Antiterrorkooperation".

Gegenstand der Abstimmung war ein Übergangsabkommen der EU mit den USA, Banküberweisungsdaten des belgischen Finanzdienstleisters Swift im Kampf gegen den Terror auf Anfrage zu übermitteln. Seit Jahresbeginn steht der Swift-Spiegelserver für EU- und Nahost-Überweisungen in der Schweiz statt in Virginia und ist daher dem unmittelbaren Zugriff der US-Behörden entzogen.